Die Suche nach den Verantwortlichen der US-Krise Keiner will's gewesen sein

Stand: 01.10.2008 21:52 Uhr

Plötzlich wissen es in den USA alle: Die gierigen Bänker sind Schuld an der schlimmsten Finanzmarktkrise seit Jahrzehnten. Aber die Politiker, die diese Vorwürfe erheben, waren zum Teil vor nicht allzu langer Zeit selbst Bänker - oder sollten diese zumindest kontrollieren.

Von Jens Borchers, HR-Hörfunkstudio Washington

Es sind erstaunliche Dinge, die Menschen in Washington in diesen Tagen von sich geben. Nehmen wir mal den amtierenden Finanzminister: Henry Paulson war bis vor zwei Jahren Investmentbanker, sogar Chef der prominentesten Bank dieser Art, Goldman and Sachs. Jetzt ist er Krisenmanager im Staatsdienst und sagt über die Verantwortlichkeiten: "Da wird viel Schuld zu verteilen sein. Schuld haben die großen Finanzinstitutionen, die diese unverantwortliche Kreditvergabe begonnen haben. Dazu kommen ihre hochkomplizierten Finanzprodukte, die niemand hinreichend verstand. Auch die Bankiers selbst nicht."

Paulson bedient mit dieser Bemerkung eine weit verbreitete These über die Verantwortlichkeit der Banken, Hedgefonds und Hypothekenfinanzierer für diese Finanzmarktkrise. Bankiers, die ihre eigenen Produkte nicht verstehen - das ist bemerkenswert. Ob der Finanzminister selbst sie als Banker durchschaute?

Bush: "Die Wall Street war besoffen"

Erstaunlich auch, was der Präsident zu den Ursachen der Misere zu sagen hatte. Bei einer Wahlkampfveranstaltung, als George W. Bush glaubte, dass alle Kameras ausgeschaltet wären, sprach er von der besoffenen Wall Street, die jetzt einen Kater habe. Damit meinte Bush, dass sich die Bankiers im Finanzzentrum New York an den rasanten Gewinnen der vergangenen Jahre berauschten und dabei jede Vorsicht fahren ließen.

So etwas kommt immer wieder vor. Geldgier, übertriebenes Selbstvertrauen, Spieler-Mentalität führen nun mal in regelmäßigen Abständen zu Krisen.

McCain hätte es wissen können

Das weiß auch Präsidentschaftskandidat John McCain. Der langjährige Senator hätte durchaus früher anprangern können, was er jetzt beklagt: "Es gab keine Transparenz in den Büchern der Wall Street-Banken. Banker und Händler haben riesige Schulden angehäuft und ihre riskantesten Investitionen versteckt. Missmanagement und Gier waren der Standard, während die Kontrolleure schliefen."

Zu denen, die für die Kontrolle, also Banken- und Börsenaufsicht zuständig sind, gehören Politiker wie McCain, Barack Obama, Paulson oder Bush. Die haben aber nichts getan - ganz im Gegenteil: Deregulierung war der Zeitgeist.

Paulsons Fehleinschätzung

Weshalb wir jetzt Finanzminister Paulson sagen hören: "Es waren nicht nur Mechanismen des Marktes, die uns bis hierher gebracht haben. Das liegt auch an einem hoffnungslos verfehlten und überholten Aufsichtssystem."

Bemerkenswert. Derselbe Finanzminister hat noch vor wenigen Monaten behauptet, die US-Wirtschaft sei über den Berg. Ebenso wie sein Präsident und der Kandidat McCain. Auch der Zentralbankchef Ben Bernanke hatte - zumindest in seinen öffentlichen Stellungnahmen - nur Angst vor zu hohen Teuerungsraten.

Einsamer Rufer in der Wüste

Einen gab es, der sehr früh warnte. Wirtschaftsprofessor Nouriel Roubini, der auch Berater der Clinton-Regierung war. Dieser Roubini warnte seit Jahren vor dem großen Zusammenbruch. Jetzt warnt er vor falschen Lösungskonzepten: "Wir haben Millionen Häuslebauer, die Probleme haben. Solange ihre Hypothekenlast nicht erleichtert wird, bestehen die Schwierigkeiten fort. Die Regierung sollte diese Hypotheken aufkaufen, die variablen Zinssätze in feste umwandeln und so massive Zwangsversteigerungen vermeiden."

So etwas ist allerdings im Rettungsplan der Regierung nicht vorgesehen.