Fragen und Antworten Konflikt in Georgien - wer trägt die Schuld?

Stand: 13.08.2008 10:44 Uhr

Worum geht es bei dem Konflikt in Georgien eigentlich genau? Was hat Russland mit der Sache zu tun? Welche Interessen verfolgen die USA? Und droht jetzt ein neuer Kalter Krieg? tagesschau.de hat Fragen und Antworten zum Krieg am Kaukasus zusammengestellt.

Wer war schuld an der Eskalation?

Es gibt auf diese Frage keine eindeutige Antwort. Südossetien liegt in einer unübersichtlichen Bergregion, zwischen den Dörfern der Osseten gibt es auch von Georgiern bewohnte Orte. Zum Zeitpunkt der Eskalation gab es keine Berichte unabhängiger Beobachter aus der Region. Georgien behauptet, es habe mit seinem Angriff auf Südossetien nur auf Provokationen der Separatisten und auf die massive Unterstützung Moskaus für die Rebellen reagiert. Die Südosseten und Russen beteuern, die Gewalt sei zuerst von Georgien ausgegangen. Fest steht, dass alle Beteiligten den Konflikt in den vergangenen Wochen und Monaten eher geschürt als entschärft haben: Provokationen gab es sowohl von georgischer als auch von ossetischer als auch von russischer Seite.

Was will Südossetien?

Südossetien will sich in erster Linie von Georgien abspalten. Es wirft der Führung in Tiflis andauernde Unterdrückung seiner Bewohner vor. Ähnlich liegt der Fall in der abtrünnigen Region Abchasien. Die südossetischen Separatisten scheinen dabei einem Anschluss an Russland nicht abgeneigt, denn im benachbarten russischen Nordossetien lebt die gleiche Volksgruppe. Abchasien scheint eher eine völlige Unabhängigkeit anzustreben, unter dem schützenden Mantel des großen Nachbarn Russland.

Warum wehrt sich Georgien überhaupt gegen die Unabhängigkeit Südossetiens?

Wirtschaftlich hat Südossetien wenig zu bieten: Inoffiziell sind 60 Prozent der Bevölkerung arbeitslos, es wird lediglich ein bisschen Obst, Getreide und Wein angebaut. Warum also wegen einer solchen Region Krieg führen? "Georgien ist besorgt um die Einheit des Landes", sagt WDR-Korrespondentin Christina Nagel.   Das Land, das etwa so groß wie Bayern ist, könne sich nicht erlauben, auf eine Region zu verzichten. "Ließe man Südossetien ziehen, müsste man auch Abchasien gehen lassen, das ebenfalls nach Unabhängigkeit strebt. Abchasien ist allerdings - anders als Südossetien - wirtschaftlich und strategisch durchaus interessant", so Nagel. In Georgien gibt es zudem zahlreiche weitere Minderheiten, die sich um Autonomie bemühen könnten.

Was sind die Ursprünge des Konflikts?

Als Anfang der neunziger Jahre die Sowjetunion zerfiel, sagte sich nicht nur Georgien von Russland los - in Georgien selbst konnte sich der Nationalismus ungehemmt entfalten und Südossetien und Abchasien erklärten sich unabhängig. In beide Regionen marschierte die georgische Armee ein - doch Abchasien und Südossetien erhielten Unterstützung von Russland, das seinen Einfluss in der Region wahren wollte. In Abchasien unterlagen die Georgier nach einem einjährigen Krieg mit tausenden Toten. In Südossetien wurde 1992 ein Waffenstillstand unterzeichnet, der 2004 erneuert wurde. Auch in diesem Konflikt wurden hunderte Menschen getötet und Tausende vertrieben. Südossetien und Abchasien sind international nicht anerkannt, sondern gelten weiter als Teil Georgiens.

In Abchasien und Südossetien sind seither Friedenstruppen aus russischen Soldaten stationiert. In Abchasien werden diese von einer UN-Mission überwacht, in Ossetien stehen sie unter OSZE-Führung. Georgien beschuldigte die Friedenssoldaten immer wieder, sich nicht neutral zu verhalten.

Warum hat sich Russland jetzt eingemischt?

Russland ist seit Jahren bemüht, seinen Einfluss in dem Gebiet zu wahren. Es unterstützt Abchasien und Südossetien wirtschaftlich und verteilt seit 2002 unter völkerrechtlich fragwürdigen Umständen Pässe an die Bevölkerung dort. Im aktuellen Konflikt sprach die Regierung in Moskau davon, ihre Staatsbürger im Südkaukasus beschützen zu müssen. Das ist einer der Gründe.

Zudem will Moskau verhindern, dass Georgien in die NATO aufgenommen wird und somit das Verteidigungsbündnis direkt an die sensible Südflanke Russlands heranrückt. Auf einen Beitritt Georgiens drängen insbesondere die USA. Die NATO hatte im April die Grundsatzentscheidung getroffen, die Ex-Sowjetrepublik aufzunehmen. Bedingung war jedoch, dass die Konflikte mit Abchasien und Südossetien beigelegt sind - und zwar auf friedlichem Weg.

Warum ist den USA und Europa die Ausrichtung Georgiens auf den Westen so wichtig?

Es gibt dafür viele verschiedene Gründe - einer von ihnen ist die Energieversorgung. Durch Georgien führen wichtige Öl- und Gas-Pipelines, vom Kaspischen Meer bis zum Mittelmeer. Damit wird der Westen unabhängiger von der einzig anderen Möglichkeit: der Lieferung durch Russland. Für die USA ist das Land auch wegen der Nähe zum Iran interessant. Außerdem stellt US-Präsident George W. Bush Georgien gerne als leuchtendes Beispiel für die Demokratisierung auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion dar.

Droht nun ein neuer Kalter Krieg?

Eher nein. Nach Einschätzung des Kaukasus-Experten Ekkehard Maaß wird der Westen zwar den diplomatischen Druck erhöhen und Moskau eventuell auch mit Sanktionen drohen. "Aber Europas Interesse an russischer Energie und an der russischen Wirtschaft" sei so groß, dass der Druck seiner Einschätzung nach nicht lange aufrechterhalten werde, sagte er dem Deutschlandradio. Ähnlich äußerte sich auch Uwe Halbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik in den Tagesthemen. Der Konflikt zwischen dem Westen und Russland würde sich nur dann deutlich verschärfen, sollte Moskau Georgien tatsächlich besetzen. Diese Möglichkeit sei jedoch so gut wie ausgeschlossen.

Zusammengestellt von Sarah Welk, tagesschau.de