Fragen und Antworten Kann Snowden auf Asyl hoffen?

Stand: 02.11.2013 12:56 Uhr

Deutsche Politiker und Ermittler hätten einige Fragen, die sie Edward Snowden gerne stellen würden. Doch kann ein Untersuchungsausschuss ihm "sicheres Geleit" garantieren? Und wie stehen die Chancen auf politisches Asyl in Deutschland?

Von Frank Bräutigam, ARD-Rechtsredaktion

Kann Snowden in Deutschland Asyl bekommen?

"Politisch Verfolgte genießen Asylrecht", heißt es in Artikel 16a Grundgesetz. Ist Snowden politisch verfolgt, oder ganz einfach von den US-Behörden gesucht wegen Verstoß gegen US-Strafrecht? Darüber lässt sich sicher streiten. Es gibt aber schon ein formales Hindernis. Einen Asylantrag aus dem Ausland zu stellen, ist nicht möglich, Snowden müsste dafür nach Deutschland kommen.

Könnte Deutschland "freies Geleit" für eine Zeugenaussage im Untersuchungsausschuss gewähren?

Das wird schwierig. Der Begriff "freies Geleit" ist im allgemeinen Sprachgebrauch bekannt. Die Strafprozessordnung kennt in § 295 nur den Begriff "sicheres Geleit". Diese Vorschrift wäre wohl auch für einen Untersuchungsausschuss anwendbar. Sie erlaubt den Verzicht auf Untersuchungshaft, wenn sich ein Beschuldigter aus dem Ausland in Deutschland seinem eigenen Strafverfahren stellt oder als Zeuge für ein Verfahren gegen Dritte zur Verfügung steht (oder eben analog für den Bundestagsausschuss). Allerdings: Es muss um eine Person gehen, die in Deutschland beschuldigt ist, und um einen deutschen Haftbefehl, den man außer Kraft setzt. Weil Snowden von den US-Behörden strafrechtlich verfolgt wird, würde das "sichere Geleit" auf diesem Wege nicht funktionieren.

Regelungen zum "sicheren Geleit" finden sich auch in internationalen Rechtshilfeabkommen. Hier ist aber rechtlich nicht abschließend geklärt, ob man diese Abkommen auch auf einen Untersuchungsausschuss anwenden könnte. Daher bestehen größere Zweifel am "sicheren Geleit" für den möglichen Untersuchungsausschuss. Außerdem verschafft "sicheres Geleit" kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und Snowden hätte das Problem, dass er vielleicht nicht mehr nach Russland zurück könnte.

Kann Snowden auf anderem Wege eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland bekommen?

Ja. Das Aufenthaltsgesetz regelt unter dem Stichwort "Aufnahme aus dem Ausland" in § 22: Eine Aufenthaltserlaubnis ist möglich, wenn "das Bundesministerium des Innern oder die von ihm benannte Stelle zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Aufnahme erklärt hat". Der Wunsch eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, Snowden als Zeuge zu hören, wäre für eine solche Aufenthaltserlaubnis ein gewichtiges Argument.

Würde die Erlaubnis eine Auslieferung Snowdens automatisch verhindern?

Nein. Die EU und die USA haben ein Auslieferungsabkommen geschlossen, zusätzlich gibt es ein früheres bilaterales Abkommen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten. Darin gibt es Hinderungsgründe für eine Auslieferung, etwa wenn die Todesstrafe droht oder Deutschland die vorgeworfene Tat als "politische Straftat" wertet. Eine Aufenthaltserlaubnis allein schützt aber nicht automatisch vor Auslieferung. Das Verfahren liefe wie folgt ab: In einem ersten Schritt entscheiden die Oberlandesgerichte, ob eine beantragte Auslieferung zulässig ist. Dabei sind sie nicht an eine mögliche Aufenthaltserlaubnis gebunden. Wenn das Oberlandesgericht die Auslieferung für zulässig hält, entscheidet über die endgültige Bewilligung im zweiten Schritt das Bundesministerium für Justiz, sicher in Abstimmung mit der gesamten Bundesregierung. Zentral ist also am Ende, ob von dort eine Auslieferung abgelehnt wird.

Könnte Snowden auch vor Ort in Russland vernommen werden?

Ja. Auf dem Wege der Rechtshilfe könnte ein Untersuchungsausschuss einen Zeugen im Ausland vernehmen oder vernehmen lassen. Man ist dann allerdings auf die Zusammenarbeit mit den russischen Behörden angewiesen.

Welche Rolle spielt die Bundesanwaltschaft im Vergleich zu einem möglichen Untersuchungsausschuss?

Diese beiden "Baustellen" sollte man gut auseinanderhalten. Ein Untersuchungsausschuss hat die Aufgabe, politische Missstände aufzuarbeiten. Die Bundesanwaltschaft ist unter anderem zuständig für strafrechtliche Ermittlungen in Spionagefällen, zum Beispiel wegen "Geheimdienstlicher Agententätigkeit" nach § 99 Strafgesetzbuch. Generalbundesanwalt Harald Range würde aber nicht gegen "die USA" oder gegen "die NSA" als Behörde ermitteln. Ein Strafverfahren richtet sich immer nur gegen konkrete Personen, bei denen ein Anfangsverdacht besteht, also zum Beispiel einen einzelnen Geheimdienstmitarbeiter. Am Anfang richtet es sich manchmal auch "gegen Unbekannt".

Was hat die Bundesanwaltschaft bislang unternommen?

Sie hat bislang nur einen sogenannten "Beobachtungsvorgang" angelegt und verschiedene Behörden in Berlin (vermutlich die unterschiedlichen Geheimdienste und das Kanzleramt) gebeten, ihr die nötigen Fakten für die Prüfung zu schicken, ob ein Anfangsverdacht besteht und Karlsruhe zuständig ist. Ein offizielles Ermittlungsverfahren ist bislang nicht eröffnet. Erst dann wäre es für die Bundesanwaltschaft zulässig, Zeugen zu hören. Beim möglichen Zeugen Snowden würden sich dann ähnliche Rechtsfragen stellen wie im Rahmen eines Untersuchungsausschusses.

Welche Schwierigkeiten könnte es bei möglichen strafrechtlichen Ermittlungen gegen die NSA geben?

Es ginge bei den Ermittlungen nicht nur um den Nachweis, dass das Handy der Kanzlerin abgehört wurde, sondern auch darum, wer es konkret war. Das dürfte nicht leicht herauszufinden sein. Falls doch, müssten die entsprechenden Personen in Deutschland greifbar sein, um sie vor Gericht stellen zu können. Sollten einzelne Beschuldigte Diplomatenstatus haben, könnte man sie aber wegen der damit verbunden Immunität strafrechtlich nicht belangen. Auch eine Durchsuchung der US-Botschaft ist ohne Zustimmung nicht möglich.