Morawiecki und Scholz begrüßen sich in Berlin

Krieg gegen die Ukraine Polen kritisiert deutschen "Egoismus"

Stand: 26.02.2022 15:58 Uhr

Polen fordert von Deutschland mehr Hilfe für die Ukraine und härtere Sanktionen gegen Russland. Deutschland müsse seine "Selbstbezogenheit" und seinen "Egoismus" ablegen, sagte Premier Morawiecki. Mehrere Staaten kündigten Waffenlieferungen an.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat die Bundesregierung eindringlich zu einer stärkeren Unterstützung der Ukraine aufgerufen. Deutschland müsse seine "Selbstbezogenheit" und seinen "Egoismus" ablegen und dem ukrainischen Volk substanzielle Hilfe anbieten, mahnte Morawiecki in Berlin vor einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem litauischen Präsidenten Gitanas Nauseda. Deutschland, Polen und Litauen wollen über den Krieg in der Ukraine und Sanktionen gegen Russland beraten.

"Nichts wird Putin stoppen, wenn wir nicht entschlossen genug sind. Dies ist ein sehr historischer Moment (...) Wir haben keine Zeit zu verlieren", sagte Morawiecki.

"Fünftausend Helme? Das muss ein Witz sein"

Die bisherige deutsche Rüstungshilfe - Militärhelme, aber keine Waffen - sei weit entfernt von dem, was nötig sei, um der Ukraine bei deren Selbstverteidigung zu helfen, kritisierte Morawiecki. "Was für eine Hilfe wurde an die Ukraine geliefert? Fünftausend Helme? Das muss ein Witz sein."

Am Samstag wurden nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa die von Deutschland versprochenen 5000 Helme an das ukrainische Militär übergeben. Die Helme waren am Freitag in zwei Lastwagen auf den Weg gebracht worden. Es ist bisher die einzige Rüstungshilfe, die die Bundesregierung der Ukraine in der aktuellen Krise gewährt hat.

Für Polen ist diese Haltung offenbar unverständlich. "Ich bin nach Berlin gekommen, um an das Gewissen Deutschlands zu appellieren, damit es endlich wirklich harte Sanktionen beschließt, die die Entscheidungen des Kreml beeinflussen", sagt Morawiecki. Er fordere Russlands Ausschluss vom internationalen Banken-Kommunikationsnetzwerk SWIFT sowie Maßnahmen, die Kremlchef Wladimir Putin selbst, die ihn stützenden Oligarchen sowie die russische Wirtschaft im Allgemeinen träfen. Auch ein Aus für beide Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 brachte Morawiecki ins Gespräch. Nord Stream 1 ist seit rund einem Jahrzehnt ein wichtiger Strang für die Gasversorgung Deutschlands. Eine Inbetriebnahme von Nord Stream 2 hat Deutschland auf Eis gelegt.

Militärische Hilfe für die Ukraine

Anders als Deutschland wollen mehrere Staaten die Ukraine verstärkt mit der Lieferung von Militärgütern unterstützen. So haben nach britischen Angaben rund zwei Dutzend Staaten bei einer Geberkonferenz dem angegriffenen Land "militärische und humanitäre Hilfe" zugesagt. Man erwäge jede Option, um Kiew in seiner Verteidigung gegen "Präsident Putins grundlose und illegale Invasion" zu unterstützen, teilte das britische Verteidigungsministerium per Twitter mit. Die Konferenz fand unter britischer Führung am Freitagabend virtuell statt.

"Ich freue mich, dass weitere Verbündete defensive und humanitäre Hilfe angeboten haben", twitterte Premierminister Boris Johnson. Einem Bericht des britischen Senders Sky-News zufolge waren an der Konferenz auch die USA und mehrere Länder beteiligt, die nicht der NATO angehören.

Aus Ministeriumskreisen hieß es, die militärische Unterstützung beinhalte Munition und Anti-Panzer-Waffen. Großbritannien habe zudem angeboten, mit "logistischen Operationen" die Spenden in die Ukraine zu bringen.

Raketen aus den Niederlanden, Maschinengewehre aus Tschechien

Konkrete Zusagen sind unter anderem von den Niederlanden bekannt, die 200 Luftabwehrraketen an die Ukraine liefern wollen. Die Raketen vom Typ "Stinger" sollten so schnell wie möglich bereitgestellt werden, erklärt die Regierung in einem Schreiben an das Parlament. Das Land hatte Anfang des Monats zugesagt, unter anderem Gewehre, Munition, Radarsysteme und Minensuchroboter an die Ukraine zu liefern.

Auch Tschechien kündigte an, Waffen und Munition im Wert von 7,6 Millionen Euro an die Ukraine zu liefern. Dabei handele es sich um Maschinengewehre, Sturmgewehre und andere leichte Waffen. Die Waffen würden an einen Ort geliefert, der von der ukrainischen Seite bestimmt werde. Tschechien hatte zuvor bereits beschlossen, der Ukraine rund 4000 Artilleriegranaten im Wert von 36,6 Millionen Kronen zu spenden.

Dänemark teilte mit, 2000 schusssichere Westen und 700 Sanitätstaschen in die Ukraine schicken zu wollen.

Auch Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte die Waffenlieferungen an. "Waffen und Ausrüstung unserer Partner sind auf dem Weg in die Ukraine. Die Anti-Kriegs-Koalition funktioniert", schrieb er auf Twitter nach einem Telefonat mit seinem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. Februar 2022 um 15:00 Uhr.