Ein zerstörter ukrainischer Panzer in Charkiw

UN-Bericht zu Kriegsgefangenen Folter, Misshandlungen und sexuelle Gewalt

Stand: 15.11.2022 17:56 Uhr

Im Ukraine-Krieg müssen Kriegsgefangene laut UN Folter, Erniedrigung und Misshandlungen erleiden. Das hätten Opfer auf russischer und ukrainischer Seite berichtet. Es gebe auch Berichte über Tötungen.

Schläge, Elektroschocks, sexuelle Gewalt: Detailliert berichtete die Leiterin der UN-Beobachtermission im Ukraine-Krieg von Folter und schweren Misshandlungen an Kriegsgefangenen. Das Team vom Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen stützt sich dabei auf Interviews mit den Opfern.

Die UN-Expertinnen und Experten interviewten 159 Männer und Frauen, die in russischer Gefangenschaft waren, sowie 175 Männer in ukrainischer Gefangenschaft. "Es ist wichtig zu betonen, dass die Ukraine uns vertraulichen Zugang gewährte zu Kriegsgefangenen in Internierungslagern, wo wir mit ihnen sprachen", sagte die Leiterin der Mission, Matilda Bogner. "Russland gab uns keinen Zugang, sodass wir die ukrainischen Kriegsgefangenen erst nach ihrer Freilassung befragten."

Systematische Erniedrigung von Frauen

Viele ukrainische Kriegsgefangene hätten von schweren Misshandlungen berichtet, die oft sofort bei der Festnahme durch die russischen Streitkräfte oder deren Verbündete begannen.

Unmittelbar danach wurden einige von ihnen geschlagen oder ihre persönliche Habe wurde geplündert. Die Kriegsgefangenen wurden dann unter besorgniserregenden Bedingungen in Internierungslager transportiert - in überfüllten Lastwagen oder Bussen, oft gab es für länger als einen Tag weder Wasser noch Toiletten. Ihre Hände waren gefesselt, ihre Augen so fest mit Klebeband abgedeckt, dass sie Wunden an den Handgelenken und im Gesicht hatten.

Er könne das Geräusch von Klebeband nicht mehr ertragen, zitierte Bogner einen Gefangenen. Die russischen Wächter hätten es benutzt, um die Menschen zu fixieren und zu foltern. In den russischen Lagern, so berichtete Bogner weiter, seien die Gefangenen unter anderem mit Elektroschocks gequält worden. Sie seien geschlagen, von Hunden angegriffen und sexuell misshandelt worden.

Auch Frauen hätten von systematischer Erniedrigung in russischer Gefangenschaft berichtet: "Mehrere Frauen berichteten, dass sie während der Verhöre geschlagen, mit Stromschlägen traktiert und mit sexueller Gewalt bedroht wurden. Manche wurden gezwungen, in Gegenwart männlicher Wachleute nackt von einem Raum zum anderen zu laufen." In einem Lager in Russland, so Bogner, sollen im April acht Menschen gestorben sein.

Russische Gefangene berichten von Tötungen

Auf der anderen Seite hätten russische Gefangene in der Ukraine ebenfalls von Tötungen berichtet. "Wir haben glaubwürdige Berichte über Hinrichtungen von Personen, die nicht mehr in Kampfhandlungen verwickelt waren", sagte Bogner. "Außerdem Fälle von Folter und Misshandlung, die von Angehörigen der ukrainischen Streitkräfte begangen wurden."

Viele Russen hätten berichtet, dass sie teils nackt und mit auf dem Rücken gefesselten Händen auf Lastwagen transportiert worden seien. In den ukrainischen Lagern angekommen, seien die russischen Gefangenen dann angemessen behandelt worden, so die UN-Menschenrechtsexpertin.

Sie erinnerte an die Genfer Konvention, die sowohl die Ukraine als auch Russland unterzeichnet haben: Das absolute Verbot von Folter und Misshandlung von Kriegsgefangenen.

 

Kathrin Hondl, Kathrin Hondl, ARD Genf, 15.11.2022 17:00 Uhr