Dieses Foto zeigt ein Exemplar einer SCALP-Rakete in der MBDA-Fabrik in Bourges, Zentralfrankreich.

Ukrainische Gegenoffensive London schickt Marschflugkörper, Kiew will warten

Stand: 11.05.2023 19:26 Uhr

Seit Monaten wird über eine ukrainische Gegenoffensive spekuliert, doch die ist noch nicht in Sicht. Trotz einer Lieferung moderner britischer Marschflugkörper betont Präsident Selenskyj: Man brauche mehr Zeit.

Großbritannien liefert der Ukraine als erstes Land moderne Marschflugkörper. Die Raketen vom Typ "Storm Shadow" ermöglichten es der Ukraine, russische Kräfte von ihrem Territorium zurückzudrängen, sagte Verteidigungsminister Ben Wallace. "Ich bin der Meinung, dass dies eine wohlüberlegte und angemessene Reaktion auf die russische Eskalation ist." Großbritannien werde nicht daneben stehen, während Russland Zivilisten töte.

Die Lieferung erreicht die Ukraine, während sich diese vermutlich in den Vorbereitungen einer schon länger erwarteten Gegenoffensive befindet. Laut des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sei ein Gegenschlag gegen die russischen Invasoren zum jetzigen Zeitpunkt aber ausgeschlossen. Eine Offensive sei derzeit inakzeptabel, weil sie zu viele Menschenleben kosten würde, sagte er in einem von der BBC gesendeten Interview. Man brauche "noch etwas mehr Zeit".

Russland droht mit Reaktion

"Die Stiftung dieser Waffensysteme bietet der Ukraine die beste Möglichkeit, sich gegen Russlands andauernde Brutalität zu verteidigen, vor allem gegen die gezielten Angriffe auf die zivile Infrastruktur der Ukraine, die gegen das Völkerrecht verstoßen", kommentierte Wallace die Lieferung der Raketen mit hoher Reichweite weiter.

Die "Storm Shadow" würden die bereits vorhandenen Raketensysteme ergänzen, darunter der US-amerikanische Mehrfachraketenwerfer "Himars", britische "Harpoon"-Raketen sowie ukrainische "Neptun"-Marschflugkörper, so Wallace.

Er betonte, allein Russlands Angriff habe dazu geführt, dass solche Waffen an die Ukraine geliefert werden. Es handele sich um eine "ausgewogene und verhältnismäßige Reaktion auf die russische Eskalation".

"Äußerst negativ" beurteilte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow die angekündigte Lieferung an den Kriegsgegner. "Das bedarf einer adäquaten Antwort auch von unseren Militärs, die sicherlich aus militärischer Sicht entsprechende Lösungen finden", wurde Peskow von der Agentur Ria Nowosti zitiert.

Waffensystem mit hoher Reichweite

Die luftgestützten "Storm Shadow", die von Großbritannien und Frankreich gemeinsam entwickelt wurden, haben laut Hersteller MBDA eine Reichweite von mehr als 250 Kilometern. Damit könnten sie Ziele auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim erreichen. Die von der Ukraine mit Erfolg eingesetzten Mehrfachraketenwerfer vom US-Typ "Himars" erreichen bisher nur Ziele in 80 Kilometern Entfernung.

Der amerikanische Nachrichtensender CNN, der zuerst über die Lieferungen berichtete, zitierte einen ranghohen US-Militär auch mit Blick auf die geplante ukrainische Großoffensive mit den Worten, die Waffe sei ein "Gamechanger". Militärexperten sind sich indes einig, dass die Ukraine bereits mit den Vorbereitungen einer solchen Offensive begonnen hat. Welche Rolle insbesondere die britischen "Storm Shadow" in der Planung spielen, ist unklar.

London als Verbündeter

Großbritannien ist einer der wichtigsten Verbündeten der Ukraine. Das britische Verteidigungsministerium berichtet täglich über die Lage an der Front und beurteilt anhand von Geheimdienstinformationen das russische Vorgehen.

Premier Rishi Sunak hatte beim Besuch von Präsidenten Selenskyj im Februar angekündigt, Großbritannien werde das erste Land sein, das Langstreckenwaffen an die Ukraine liefere. London hatte der Ukraine auch als erstes westliches Land moderne Kampfpanzer vom Typ "Challenger 2" geschickt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 11. Mai 2023 um 20:30 Uhr.