
Krieg gegen die Ukraine Berichte über Angriffe trotz Waffenruhe
Seit 10 Uhr deutscher Zeit sollten die Waffen schweigen, so hatte es Russlands Präsident Putin angekündigt. Doch die Feuerpause zum orthodoxen Weihnachtsfest scheint bereits gebrochen: Beide Seiten meldeten den Beschuss mehrerer Städte.
In den ostukrainischen Städten Kramatorsk und Bachmut hat es trotz der einseitig von Russlands Präsident Wladimir Putin angeordneten Waffenruhe offenbar Gefechte gegeben. Die russischen Streitkräfte hätten Kramatorsk nach dem offiziellen Beginn der Feuerpause um 10 Uhr deutscher Zeit mit Raketen angegriffen, erklärte der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialbüros, Kyrylo Tymoschenko, auf Telegram.
"Die Besatzer haben die Stadt zwei Mal mit Raketen angegriffen", schrieb Tymoschenko über die Situation in Kramatorsk. Dabei sei auch ein Wohngebäude getroffen worden, Opfer habe es aber nach den vorliegenden Informationen keine gegeben.
Tymoschenko erklärte zudem, die russischen Streitkräfte hätten auch die südukrainische Stadt Cherson angegriffen. Demnach gab es dort "mindestens vier Explosionen", bei denen zahlreiche Menschen getötet oder verletzt wurden. Tymoschenko machte aber keine Angaben dazu, ob der Angriff vor oder nach dem von Moskau angekündigten Beginn der Waffenruhe erfolgte.
Ukraine greift an
Die Ukraine, die die Feuerpause anlässlich des orthodoxen Weihnachtsfests als heuchlerisches Ablenkungsmanöver der russischen Angreifer ablehnt, erklärte, ihre Soldaten hätten vor allem im östlichen Donezker Gebiet wieder angegriffen. "Auf diese Weise gratulieren sie den Besatzern zum bevorstehenden Weihnachten", teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit. In der Kleinstadt Bachmut seien Stellungen der Russen mit 120-Millimeter-Mörsergranaten als "Geschenk" beschossen worden.
Das russische Verteidigungsministerium erklärte, die Armee des Landes halte den Waffenstillstand ein. "Obwohl russische Streitkräfte den Waffenstillstand einhielten, setzte das Kiewer Regime den Artilleriebeschuss auf Ortschaften und russische Armeestellungen fort", erklärte das Ministerium in den Onlinenetzwerken.
Laut Armeesprecher Igor Konaschenkow gab es an drei Frontabschnitten Gefechte: Im Norden nahe der Kleinstadt Lyman habe ukrainisches Militär mit Granatwerfern geschossen, etwas weiter südlich bei der Ortschaft Bilohoriwka im Gebiet Luhansk mit Artillerie. Weiter wurde von ukrainischen Angriffen auf russische Stellungen in Saporischschja berichetet, die abgewehrt worden seien.
Im Süden des Gebiets Donezk habe es ebenfalls Artillerieschüsse auf russische Positionen gegeben. "Bei der Feuererwiderung wurden die Positionen der ukrainischen Streitkräfte, von denen die Schüsse abgegeben wurden, niedergehalten." Einen ukrainischen Beschuss der Industriestadt Donezk, über den zuvor die russischen Statthalter in der Region berichtet hatten, erwähnte er hingegen nicht.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
In der zuletzt schwer umkämpften Stadt Bachmut berichteten Reporter der Nachrichtenagentur AFP von Gefechtsfeuer sowohl von russischer als auch von ukrainischer Seite. Es handelte sich aber um leichteren Beschuss als in den Tagen und Wochen zuvor in Bachmut. Die zu großen Teilen zerstörten Straßen der Stadt waren demnach abgesehen von Militärfahrzeugen weitgehend leer.
Skepsis und Misstrauen im Vorfeld
Die Feuerpause sollte während des orthodoxen Weihnachtsfestes von Freitagvormittag bis Samstagabend gelten. Laut Kreml sollte die russische Armee an der gesamten Front die Kämpfe einstellen. Putin kündigte den Schritt am Donnerstag an, nachdem das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, eine Waffenruhe anlässlich des orthodoxen Weihnachten an diesem Wochenende vorgeschlagen hatte. Die orthodoxen Kirchen in Russland und in der Ukraine feiern die Geburt Jesu Christi traditionell nach dem julianischen Kalender am 7. Januar.
Die Ukraine lehnte eine Waffenruhe unter russischen Bedingungen jedoch ab. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, Russland wolle damit nur das Vorrücken der ukrainischen Streitkräfte stoppen und mehr Ausrüstung in Stellung bringen. Auch in Washington und Berlin wurde mit Skepsis auf die Ankündigung des Kreml reagiert.
Russland will ukrainische Angriffe erwidern
Beobachter in Kiew waren davon ausgegangen, dass die Feuerpause den Ukrainerinnen und Ukrainern zwar möglicherweise Angriffe mit Raketen und Drohnen über die Weihnachtstage ersparen könnte. An den Fronten im Osten und Süden des angegriffenen Landes hingegen werde sich die Lage wohl kaum verändern.
Der von Moskau im ostukrainischen Gebiet Donezk eingesetzte Besatzungschef Denis Puschilin erklärte bereits, russische Truppen würden ungeachtet von Putins Befehl auch weiterhin ukrainische Angriffe erwidern. "Die Entscheidung betrifft die Einstellung des initiativen Feuers und der Angriffshandlungen von unserer Seite", schrieb Puschilin auf Telegram. Puschilin fügte hinzu: "Das bedeutet nicht, dass wir nicht auf Provokationen des Gegners antworten werden oder dem Feind auch nur irgendeine Chance geben werden, während dieser Feiertagsstunden seine Positionen an der Frontlinie zu verbessern."