
Abzug aus Tschernobyl Russische Soldaten angeblich verstrahlt
Fünf Wochen nach Beginn des Krieges in der Ukraine ist die russische Armee aus der Region rund um das frühere Atomkraftwerk Tschernobyl abgezogen. Nach ukrainischen Angaben haben Teile der Truppen "erhebliche Strahlendosen" abbekommen.
Einige der vom Gelände des ehemaligen Atomkraftwerks Tschernobyl abgezogenen russischen Soldaten haben nach ukrainischen Angaben "erhebliche Strahlendosen" abbekommen. Der staatliche Energieversorger Energoatom berichtete, die Soldaten hätten Gräben im Wald in der Sperrzone rund um das teilweise havarierte AKW ausgehoben. Dabei seien sie vermutlich mit verstrahltem Material unter der Oberfläche in Kontakt geraten. Bei den ersten Krankheitsanzeichen hätten die Soldaten in Panik den Abzug vorbereitet.
Die stellvertretende ukrainische Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk schrieb auf Facebook, die russischen Soldaten hätten solch große Strahlungsdosen abbekommen, "dass ihnen die Konsequenzen von Ärzten in speziellen Schutzanzügen erklärt werden" müssten. Eine unabhängige Bestätigung für die ukrainischen Angaben liegt bislang nicht vor. Weder der Kreml noch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA äußerten sich dazu.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Angeblich ukrainische Soldaten entführt
Energoatom teilte zudem mit, die russischen Truppen hätten ukrainische Soldaten mitgenommen, die sie seit Kriegsbeginn als Geiseln gefangen hielten. "Als sie von der Atomanlage Tschernobyl wegrannten, nahmen die russischen Besatzer Mitglieder der Nationalgarde mit, die sie seit dem 24. Februar als Geiseln gefangen gehalten hatten", hieß es unter Berufung auf Arbeiter in der Anlage. Um wie viele ukrainische Soldaten es sich handelt, ist nicht bekannt.
Weiter teilte Energoatom mit, russische Soldaten hätten "Ausrüstung und andere Wertgegenstände" aus der stillgelegten Atomanlage gestohlen. Ukrainische Spezialisten würden nun auf das Gelände geschickt, um es auf "potenzielle Sprengkörper" hin zu durchkämmen.
Kontrolle über AKW schriftlich an Ukraine übertragen
Die russischen Truppen hatten gestern mit dem Abzug aus der Region rund um Tschernobyl begonnen. Die IAEA teilte unter Berufung auf ukrainische Angaben mit, Russland habe die Kontrolle über das Gebiet schriftlich wieder an die Ukrainer übertragen. Russische Soldaten seien in zwei Kolonnen in Richtung der Grenze nach Belarus gefahren. Das Personal des AKW Tschernobyl sei am Morgen über den geplanten Abzug informiert worden. Übergeben wurden demnach auch zwei Zwischenlager für Atommüll, die sich in der 30-Kilometer-Sperrzone um das stillgelegte Kraftwerk befinden.
Das teilweise havarierte AKW war seit dem Einmarsch Russlands vor fünf Wochen in russischer Hand gewesen. Die ukrainischen Arbeiter in der Anlage überwachten trotzdem unter widrigen Bedingungen die sichere Lagerung der alten Brennstäbe und die Überreste des 1986 explodierten Reaktors, der unter einer Betonkuppel liegt.