
Tschechien Eine Wahl für oder gegen Babis
Bei der Präsidentenwahl in Tschechien müssen die Bürger vor allem eine Frage entscheiden: Sind sie für oder gegen Babis? Der umstrittene Ex-Premier hofft auf eine Rückkehr an die Macht. Zwei Gegner könnten das verhindern.
Ein idealeres Finale für seinen Wahlkampf hätte sich Andrej Babis selbst wohl kaum vorstellen können: Der überraschende Freispruch im "Storchennest"-Prozess, ein Termin beim französischen Präsidenten in Paris und der Rücktritt eines Kandidaten, der auch auf sein Wählerkonto einzahlen dürfte.
Der Multimilliardär und Gründer des riesigen Agrofert-Konzerns ist bei der Präsidentenwahl in Tschechien einer von drei Favoriten. Die Umfragen sagen dem 68-Jährigen unisono voraus, dass er in die erwartete zweite Runde einziehen wird - wenn keiner der Kandidaten eine absolute Mehrheit holt.
Für die meisten Tschechinnen und Tschechen ist es vor allem eine Wahl für den Populisten oder gegen ihn.
Stabile Anhängerschaft
Babis stützt sich auf eine stabile Anhängerschaft von rund 30 Prozent - vor allem Ältere auf dem Land mit weniger hohen Bildungsabschlüssen. Sie verzeihen ihm, dem "erfolgreichen Unternehmer" und Fürsprecher vieler Rentnerinnern und Rentner, alle Skandale - auch den Prozess wegen Betrugsvorwürfen mit EU-Hilfsgeldern.
Im Fall des Wellness-Ressorts "Storchennest" ist Babis überraschend freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Haft auf Bewährung gefordert. Der Richter konnte zwar viele Ungereimtheiten entdecken, aber keine Beweise für eine Straftat.
Kandidat mit Interessenkonflikten
Für seine Gegner bleiben unüberwindbare Vorbehalte: der Interessenkonflikt als Politiker und Unternehmer, den auch die EU-Kommission festgestellt hat; seine Wirtschaftsmacht als Besitzer des größten privaten Arbeitgebers in Tschechien; seine Medienmacht durch den Mafra-Konzern, den er 2013 gekauft hat, damit die Journalisten "endlich die Wahrheit" schrieben.
Babis polarisiert - ähnlich wie der scheidende Präsident Milos Zeman, der nach zwei Amtszeiten nicht wieder antreten darf.
Mehr als nur ein repräsentatives Amt
In Tschechien hat der Präsident vor allem repräsentative Aufgaben, dennoch mehr Macht als in Deutschland - und einen großen Einfluss, den die beiden EU-kritischen Amtsinhaber Zeman und dessen Vorgänger Vaclav Klaus immer weiter ausgebaut haben.
Als Politiker wettert Babis gegen die EU, gegen den Green Deal oder gegen illegale Migranten, auch wenn er in Brüssel selbst milder auftritt. Als Unternehmer gilt Babis als einer der größten Empfänger von EU-Subventionen im Land und profitiert mit seinen Investitionen - auch in Deutschland - vom gemeinsamen Binnenmarkt.
Vielschichtige Töne gegenüber der Ukraine
Auch in der Russland-Politik schlägt der gebürtige Slowake andere Töne an als die amtierende konservativ-liberale Fünf-Parteien-Koalition. Diese hatten gemeinsam die von Babis gegründete ANO-Bewegung bei der Parlamentswahl im Herbst 2021 knapp geschlagen.
Die Haltung der Regierung gegenüber der Ukraine unterstütze er, "aber niemand redet über den Frieden". Außerdem sei es an der Zeit, die eigene Bevölkerung in der Energiekrise stärker zu unterstützen.
Ein Bewunderer Orbans
Aus seiner Bewunderung für den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban macht Babis keinen Hehl. Im Wahlkampf reiste Babis nach Ungarn an den Grenzzaun und nach Serbien, aber jüngst auch nach Frankreich und präsentierte sich als bekannter Staatsmann.
Die ANO-Bewegung gehört genau wie die Partei von Präsident Emmanuel Macron zur liberalen Fraktion im Europäischen Parlament, auch wenn sie in Tschechien inzwischen eher als linkspopulistisch gilt. Daher kann Babis auch mit Stimmen des jüngst zurückgetretenen Gewerkschaftschefs Josef Stredula rechnen.
Zwei starke Konkurrenten
Doch ob das auch für einen Sieg in der Stichwahl reicht, ist völlig offen. Babis hat zwei ernstzunehmende Konkurrenten aus dem pro-europäischen Lager - besonders General Petr Pavel, den früheren Vorsitzenden des Militärausschusses der NATO, also den obersten militärischen Vertreter des Bündnisses.
Dem 61-Jährigen wurde in Frankreich eine Medaille für seinen Einsatz im ehemaligen Jugoslawien verliehen, während Babis in Frankreich Ermittlungen wegen des Kaufs eines Schlosses über dubiose Offshore-Kanäle drohen.

Kann einer der beiden Babis verhindern? Paval und Nerudova geben sich vor der Wahl professionell optimistisch. Bild: EPA
Krisenmanager mit Vergangenheit
Pavel will in Tschechien "Ordnung und Ruhe" wiederherstellen. Er inszeniert sich als erfahrener, seriöser Krisenmanager und spricht so eine breite Gesellschaftsschicht an.
Sein Manko ist seine Vergangenheit vor der Samtenen Revolution: Im Zuge seiner Militärkarriere trat Pavel als Jugendlicher in die Kommunistische Partei ein und absolvierte Ende der 1980er-Jahre einen Kurs für Militärspitzel.
Dennoch werden ihm die größten Chancen zugeschrieben, Babis in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl zu schlagen.
Die dritte Favoritin, die 44-jährige Ökonomin und frühere Hochschulrektorin Danuse Nerudova, verspricht einen "Wandel, der das Land neu starten lässt". Einige erinnert sie an die Präsidentin der Slowakei, Zuzana Caputova, allerdings ohne deren Verdienste als Anwältin und Aktivistin.
Auch eine Frage der Taktik
Für viele Gegner von Ex-Premier Babis ist es eine taktische Entscheidung, ob sie für Nerudova oder Pavel stimmen. Zu beiden müsste Babis laut den letzten veröffentlichten Umfragen noch zehn bis 20 Prozentpunkte aufholen.
Unmöglich ist das nicht: Etwa ein Viertel der Wählerinnen und Wähler ist noch unentschieden und auch Zeman hat 2015 wider Erwarten gewonnen - nach einer Schlammschlacht auf den letzten Metern.