
Harrys Autobiografie "Spare" erscheint "Die Entzauberung hat stattgefunden"
Das Buch "Spare" von Prinz Harry wirft kein gutes Licht auf das britische Königshaus. Über die pikanten Inhalte wird schon seit Tagen diskutiert, heute erscheint es. Der Palast hüllt sich bisher in Schweigen.
Einige Bahnhofs- und Flughafen-Buchhandlungen in London hatten extra eine Stunde länger geöffnet, damit die Ungeduldigen sich ihr Exemplar von Harrys Autobiographie schon um Mitternacht sichern konnten. Obwohl viele pikante Details schon vorab durchsickerten, steht das Buch ganz oben auf der Liste der Vorbestellungen: "Ich will das Buch jetzt unbedingt lesen und habe alle Sympathien für die beiden", sagt ein Brite.
"Das ist so peinlich"
Doch das sehen längst nicht alle Briten so. Als Harry am Sonntagabend beim Fernsehsender ITV seine Vorwürfe gegen den Palast wiederholte, seine eigene Familie, vor allem sein Bruder William und Stiefmutter Camilla hätten die Presse mit negativen Geschichten über ihn und seine Frau Meghan gefüttert, waren die Einschaltquoten beim parallel laufenden Krimi in der BBC deutlich höher.
Bei Twitter überwiegen hämische Kommentare. "Harry hat die britische Monarchie in eine Seifenoper wie die Kardashians' verwandelt, das ist so peinlich", heißt es da.
Und: "Wir mussten während des Interviews die Pausetaste drücken, um uns auszuschütten vor Lachen, als Harry sagte, die Versöhnungsgespräche mit seiner Familie könnten nur im Privaten geführt werden." Quintessenz: Harry kennt offenbar keine Ironie. Und Passanten in Windsor meinen, Harry plaudere in dem Buch viel zu viele intime Dinge aus, die man lieber nicht gewusst hätte: Das hätte er für sich behalten sollen, heißt es auf der Straße.
Der Palast hüllt sich in Schweigen
Erster Sex mit siebzehn im Feld hinter der Kneipe, angefrorene Genitalien nach Antarktis-Expedition, Drogenexperimente und niedergeschlagen vom eigenen Bruder. Journalist Tom Bower, Autor des Buchs "Revenge" über den Dauerkrach bei den Windsors, und nicht gerade im Team Harry verortet, ist schockiert und liegt damit ganz auf der Linie der britischen Boulevardpresse: "Das ist heuchlerisch, zügellos, unehrlich von Harry. Er ist eine Schande. Wir können froh sein, dass er nur der Ersatz war und nicht der Thronfolger, er wäre ein furchtbarer König."
In den Zeitungen ist zu lesen, hinter den Palastmauern sei man erschüttert angesichts der Ereignisse. Darüber hinaus hüllt der Palast sich in huldvolles Schweigen. Das sei die beste Strategie, meint Verfassungsrechtler Robert Hazell: "Es gibt gar keinen Grund für das Königshaus, auf diese Vorwürfe einzugehen. Es wäre eher gefährlich, sich in eine 'Aussage gegen Aussage'-Auseinandersetzung zu begeben". meint er. "Die Königsfamilie hat Interesse an der Zustimmung für sie als Institution, das ist zu trennen von den Befindlichkeiten einzelner Familienmitglieder. Sie habe schon viele Krisen überstanden. "Das hier ist eine Familienkrise, keine Krise der Monarchie."
"Der Spuk ist ja nicht vorbei"
Andere sind weniger optimistisch, dass die Anwürfe und Nähkästchen-Plaudereien einfach an der Monarchie vorbeirauschen, zumal König Charles erst seit ein paar Monaten im Amt ist. "Sie müssen die Dinge angehen und zwar schnell", meint Russel Myers, Royal Editor des "Daily Mirror".
"Der Vorhang ist hochgegangen, alles ist öffentlich, die Entzauberung hat stattgefunden", sagt er. Nun müsse die Öffentlichkeit ihr Verhältnis zur Monarchie neu justieren. "Und der Spuk ist ja nicht vorbei. Solange sie damit Geld verdienen können, werden Meghan und Harry weitermachen."