
AKW in der Slowakei Weg von Russlands Brennstäben - nur wie?
Die Atomkraftwerke der Slowakei laufen mit Brennstäben aus russischer Produktion. Davon will die Regierung nicht länger abhängig sein. Die Suche nach Alternativen beginnt - trotz einer Sonderlieferung in Kriegszeiten.
Richard Sulik, der slowakische Wirtschaftsminister, kann sich ein kurzes Lachen nicht verkneifen, als er von dem Coup erzählt, der ihm gelungen war: Seine Regierung habe Kernbrennstoff importiert, und das, sagt Sulik, sei "eine seltsame Aktion" gewesen. Aber sie sei gelungen - mit drei Flügen der russischen Gesellschaft "Volga Dnepr Airlines".
Die Frachtflieger landeten im März in Bratislava, obwohl der Luftraum bereits wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine für russische Maschinen gesperrt war. An Bord: Kernbrennstäbe für die fünf Atomreaktoren der Slowakei. Der Lieferant: die russische Firma TVEL, ein Tochterunternehmen von Rosatom, das die Kraftwerke einst gebaut hat.
Die Frage des Geldes ist nachrangig
TVEL hat im vergangenen Jahr 75 Kernreaktoren in 15 Ländern mit Brennstäben beliefert. In der Slowakei hat die Firma ein Monopol - und das schon viel zu lange, meint Jozef Badida, Analytiker vom Web-Portal "Energia pre vas". Der Staat habe nicht darauf gedrängt, einen zweiten Lieferanten als Alternative zu suchen, es sei nichts gemacht worden. Dieses Problem, ist Badida überzeugt, "müssten wir heute nicht mehr haben".
Der finanzielle Gewinn für Russland ist gemessen an den Erlösen aus dem Gasgeschäft eher gering. 64 Millionen Euro haben die Slowakischen Elektrizitätswerke 2020 für den Brennstoff von TVEL bezahlt. Aber man ist eben erpressbar.
"Würde es ein russisches Embargo für Brennstäbe geben, wäre nicht nur die Slowakei davon betroffen", erklärt Analytiker Badida: "Die Stromproduktion in der ganzen mitteleuropäischen Region wäre betroffen."
"Genügend Zeit für Plan B"
Würde die russische Regierung den Export unterbinden, geriete die Slowakei in akute Energienot, denn die Atommeiler decken 55 Prozent des jährlichen Strombedarfs. Informationen über den Umfang der Lieferungen hält die Regierung geheim. Die Zeitung "Dennik N" in Bratislava rechnet aber vor: So ein Frachtflugzeug kann 48 Tonnen laden. In den Reaktoren werden jedes Jahr 20 Prozent des Brennstoffs ausgetauscht, jeweils etwa 8,5 Tonnen. Damit wäre also der Bedarf der Atomkraftwerke für etwa ein Jahr gedeckt.
Bei den drei von Wirtschaftsminister Sulik genannten Flügen und den noch vorhandenen Vorräten wären die Kernkraftwerke laut "Dennik N" bis 2024 versorgt. Die Slowakei hat sich damit auch eine Frist erkauft.
"Wir haben jetzt genügend Zeit", sagt Wirtschaftsminister Sulik und fordert einen "Plan B" Die Slowakei arbeite deshalb mit Ländern zusammen, die den gleichen Reaktortyp haben, damit sie Kernbrennstoff auch aus anderen Quellen kaufen könne.

Starke Stellung über die Tochterfirma TVEL: das russische Unternehmen Rosatom.
Den Anbieter wechseln? Nicht so einfach
Als zweiter Lieferant ist der US-Kraftwerkbauer Westinghouse im Gespräch, der sich schon bei der Ausschreibung 2018 beworben hatte. Den Zuschlag bekam jedoch wieder die Rosatom-Tochter TVEL. Ihr Angebot war 20 Prozent günstiger - und ihre Brennstäbe galten auch als weniger störanfällig.
Finnland hat den gleichen Reaktortyp wie die Slowakei. Zeitweise wurden dort Brennstäbe von Westinghouse eingesetzt. Inzwischen ist man jedoch zum russischen Anbieter zurückgekehrt. Und jetzt den Anbieter zu wechseln, ist ohnehin nicht so einfach: Der Brennstoff müsse zertifiziert sein, sagt Karol Galek, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium in Bratislava - erst dann könne er auch in den slowakischen Reaktoren eingesetzt werden.
Zertifizierung kann Jahre dauern
Und so ein Verfahren dauert, zumal es für die slowakische Atomaufsicht völliges Neuland ist. Die Slowakei habe damit bisher keine Erfahrungen, erklärt Analyst Badida. Die russischen Brennstäbe seien vor über 40 Jahren zertifiziert worden, als die Reaktoren in Betrieb gingen.
Sechs Jahre könnte das Genehmigungsverfahren dauern. Im Verbund mit anderen EU-Ländern könnte es vielleicht auf drei Jahre verkürzt werden. Und zusätzlich braucht es eine neue Ausschreibung, mit dann allerdings veränderten Anforderungen.
Und dabei dürfe der Preis nicht das einzige Kriterium sein, so Staatsekretär Galek - das grundlegende Kriterium müsse "eindeutig die Energiesicherheit sein".
Vorerst muss sich die slowakische Regierung in dieser Frage keine akuten Sorgen machen. Manche in Bratislava spekulieren auch ein wenig auf ein baldiges Ende des Krieges in der Ukraine. Dann wären die Brennstäbe aus Russland vielleicht auch politisch nicht mehr so umstritten.