
Seenotrettung vor Italien Erneutes Tauziehen um die Migrationspolitik
Vor Italiens Küsten warten mehrere Schiffe darauf, mit geretteten Menschen in einen sicheren Hafen einlaufen zu dürfen. Doch die Behörden blockieren. Unterstützung erhalten die Retter offenbar aus Berlin.
Seit dem 23. Oktober hat die Crew auf der Humanity 1 immer wieder Anfragen nach einem sicheren Hafen gestellt, am Abend war es die 18. Doch bisher immer noch keine Antwort der italienischen Behörden. Die Bedingungen für die geretteten Menschen an Bord würden immer schwieriger, vor allem die über 100 Minderjährigen, die unbegleitet sind, seien besonders belastet, berichtet Till Rummenhohl, der Leiter für den Schiffsbetrieb bei SOS Humanity.
"Das sind Menschen von der zweiten Rettung, die wir von einem Schlauchboot gerettet haben und die berichten uns, dass in der Nacht, bevor wir das Boot fanden, viele Menschen von Bord fielen", sagt Rummenhohl. "Vor ihren Augen sind mindestens sechs Leute ertrunken, darunter Familienangehörige und Freunde der Menschen, die wir jetzt an Deck haben."
Rettungsschiff unter deutscher Flagge unterwegs
Die Humanity 1 ist unter deutscher Flagge unterwegs, die Organisation ist in Berlin ansässig. Das zivile Seenotrettungsschiff, so ließ der neue italienische Innenminister Matteo Piantedosi verlauten, stehe nicht im Einklang mit dem Geist der europäischen und italienischen Vorschriften zur Grenzsicherung und zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Man könnte ihm, so ließ er durchblicken, die Einfahrt in einen italienischen Hafen verweigern.
Adressat war Deutschland als Flaggenstaat, auch Norwegen wurde gerügt, unter seiner Flagge sind weitere Schiffe unterwegs. Sie alle kreuzen nun mit fast 1000 Menschen an Bord vor den Küsten und warten auf einen sicheren Hafen.
Außenminister Antonio Tajani verteidigt die neue italienische Linie: "Wir haben lediglich darum gebeten, dass die Schiffe von Nichtregierungsorganisationen die europäischen Regeln einhalten, wenn sie jemanden auf See retten und dann darum bitten, in den nächsten Häfen anzulegen."

Italiens Außenminister Antonio Tajani verteidigt die neue italienische Linie.
Berlin fordert Italien offenbar zur Hilfe auf
Deutschland hat inzwischen reagiert, aber das Auswärtige Amt in Berlin wollte keine näheren Angaben machen, die Briefe seien nicht öffentlich. Medienberichten zufolge hat Berlin die italienische Regierung dazu aufgefordert, den Migranten schnell Hilfe zu leisten. Viele der unbegleiteten Minderjährigen bräuchten medizinische Hilfe.
Für die zivilen Seenotretter ist die rechtliche Lage eindeutig. Rummenhohl sagt dazu: "Sowohl in internationalen als auch in nationalen italienischen Gesetzen ist ganz klar formuliert, dass minderjährige Menschen, vor allem unbegleitete minderjährige Menschen, nicht an Grenzen festgehalten werden dürfen. Dass diese Menschen frei über Grenzen gehen dürfen. Und aktuell wird eine Grenze hochgezogen und sie werden eben nicht eingelassen."
Meloni will anderen Kurs einschlagen
Schon im Wahlkampf hatte Giorgia Meloni klargemacht, dass sie bei der Migrationspolitik härter durchgreifen wolle, eine illegale Einwanderung dürfe es nicht mehr geben. Nach ihrem Antrittsbesuch in Brüssel am Donnerstag betonte die italienische Ministerpräsidentin, dass ihre Regierung einen anderen Kurs einschlagen werde.
"Wir haben natürlich über die Migrationsströme gesprochen, über die italienische Forderung, über die Änderung der Sichtweise Italiens, so dass für uns die Priorität zu einer wird, die bereits in den europäischen Verordnungen vorgesehen ist", erklärte Meloni. "Es geht um die Verteidigung der Außengrenzen und das ist natürlich ein sehr heikles, sehr wichtiges Thema, für das ich offensichtlich ein offenes Ohr gefunden habe."
In Münster ist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bei einem Treffen der G7-Staaten erstmals mit ihrem italienischen Amtskollegen zusammengekommen, nach dem Treffen forderte Tajani über Twitter dazu auf, das Thema Migration auf europäischer Ebene besser zu koordinieren. Gleichzeitig bekräftigte er die italienische Position gegenüber den NGO-Schiffen. Das Tauziehen um die Migrationspolitik in Europa hat erneut begonnen.