Olaf Scholz

Besuch in der Ukraine Scholz schockiert von "Brutalität" in Irpin

Stand: 16.06.2022 15:03 Uhr

Kanzler Scholz hat nach seinem Besuch in dem zerstörten Kiewer Vorort Irpin die Brutalität des russischen Angriffs verurteilt. Zur Stunde berät er mit Präsident Selenskyj und weiteren EU-Regierungschefs über Hilfen für die Ukraine.

Von Der Kiew-Besuch des Kanzlers ist heute Abend auch Thema des ARD-Brennpunkts, um 20:15 Uhr im Ersten. Darin ist auch ein Interview mit Scholz zu sehen.

Bei seinem Besuch in Kiewer Vorort Irpin hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz erschüttert über die angerichteten Kriegsschäden geäußert. "Es sind unschuldige Zivilisten betroffen, und es ist eine Stadt zerstört worden, in der überhaupt gar keine militärischen Infrastrukturen waren." Das sage viel aus "über die Brutalität des russischen Angriffskriegs, der einfach auf Zerstörung und Eroberung aus ist", sagte der Kanzler. Russland treibe den Krieg "mit größter Brutalität ohne Rücksicht auf Menschenleben voran".

Anzeichen von Kriegsverbrechen

Ähnlich äußerte sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der mit Italiens Premierminister Mario Draghi und Rumäniens Präsident Klaus Iohannis ebenfalls nach Kiew reiste. Er sprach von Anzeichen für "Kriegsverbrechen und Massaker" durch russische Streitkräfte. Er verurteilte die "Barbarei" der Attacken und lobte den Mut der Soldaten und Anwohner, die den russischen Truppen widerstanden hätten.

Nach dem Abrücken der russischen Truppen waren in Irpin Hunderte Leichen gefunden worden. Nach den ersten Hinweisen auf Folter, Hinrichtungen und die Tötung zahlreicher Zivilisten, die in Butscha - einem weiteren Vorort von Kiew - Mitte März entdeckt worden waren, steht gegen Russland die Anschuldigung im Raum, Kriegsverbrechen zu begehen. Auch Deutschland unterstützt die internationalen Ermittlungen.

Roman Gonscharenko, Deutsche Welle, zzt. Kiew, zum Scholz-Besuch im zerstörten Vorort Irpin

tagesschau24

Beratungen im Präsidentenpalast

Im Anschluss empfing der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die vier Staatsmänner im Präsidentenpalast in Kiew. Er dankte ihnen für ihren Besuch und die Unterstützung für sein Land. "Wir wissen Ihre Solidarität mit unserem Land und unserem Volk sehr zu schätzen."

Bei den Beratungen geht es um weitere Hilfen für Kiew. Ein wichtiger Punkt, den die ukrainische Seite immer wieder betont, sind die Waffenlieferungen. Selenskyj fordert deutlich mehr schwere Waffen wie Panzer, Raketenwerfer und Artilleriegeschütze. Nur so könne man der russischen Übermacht widerstehen.

Scholz hatte sich dazu bislang bedeckt gehalten, aber vor der Anreise betont, die finanzielle, humanitäre und militärische Hilfe werde so lange geleistet, wie es nötig sei "für den Unabhängigkeitskampf der Ukraine". Auch Macron betonte bei der Ankunft auf dem Kiewer Bahnhof, Frankreich, Deutschland und Italien wollten mit diesem Besuch ein "Zeichen der europäischen Solidarität" mit der Ukraine aussenden.

Lambrecht verspricht baldige Haubitzen-Lieferung

Am Morgen erklärte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht erneut, Deutschland werde drei Mehrfachraketenwerfer vom Typ Mars II bereitstellen und ukrainische Soldaten daran ausbilden. Im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF kündigte die SPD-Politikerin auch an, dass die Auslieferung von bereits zugesagten Panzerhaubitzen zeitnah bevorstehe. "Die Ausbildung ist fast abgeschlossen. Und jetzt können die ukrainischen Soldaten, die daran ausgebildet wurden, mit den Panzer-Haubitzen dann auch in die Ukraine verlegt werden", so Lambrecht. Auch die Gepard-Panzer sollen demnach bald in die Ukraine geliefert werden.

Neben militärischer und humanitärer Hilfe steht wohl auch der mögliche Kandidatenstatus der Ukraine für einen EU-Beitritt im Zentrum der Beratungen in Kiew. Voraussichtlich morgen könnte die EU-Kommission ihr Votum abgeben, die Ukraine als einen solchen Kandidaten zu empfehlen oder nicht.

"Ganz klares Bekenntnis, dass die Ukraine den EU-Kandidaten-Beitrittsstatus erhalten soll", Tina Hassel, ARD Berlin, zum Besuch des Kanzlers Scholz in Kiew

tagesschau 11:00 Uhr

Mehr als nur ein Fototermin

Bereits seit Kriegsbeginn hatte die Kritik an Scholz zugenommen, weil er nicht in die Ukraine gereist war. Andere hochrangige Politiker hingegen trafen sich bereits mit Selenskyj, darunter der britische Premierminister Boris Johnson und die Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien. Auch aus Deutschland waren bereits mehrere Politiker in die Ukraine gereist: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock war vor rund fünf Wochen in Kiew, auch CDU-Chef Friedrich Merz und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas kamen.

Scholz jedoch hatte wiederholt betont, dass er sich nicht "einreihen" wolle "in eine Gruppe von Leuten, die für ein kurzes Rein und Raus mit einem Fototermin was machen". So wird erwartet, dass sein Besuch an konkrete Zusagen für weitere Unterstützung für die Ukraine gekoppelt ist.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 16. Juni 2022 um 11:00 Uhr.