Präsidentenwahl in Rumänien Prorussischer Kandidat liegt überraschend vorn
Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Präsidentenwahl in Rumänien: Der prorussische Kandidat Georgescu liegt knapp vor dem Regierungschef Ciolacu. Meinungsforscher wurden von dem Ergebnis überrascht.
Die Präsidentschaftswahl in Rumänien wird wohl erst in einer Stichwahl entschieden - zwischen dem rechten Hardliner Călin Georgescu und dem Sozialdemokraten Marcel Ciolacu. Georgescu liegt nach Auszählung von mehr als 90 Prozent der Stimmen der gestrigen Wahl vor dem bisherigen Ministerpräsidenten Ciolacu.
Georgescu erhielt nach Angaben des Zentralen Wahlbüros rund 22 Prozent der Stimmen, Ciolacu holte nur etwa 20 Prozent. Allerdings sind die Stimmen der Auslandsrumänen erst zu knapp der Hälfte ausgezählt. Ein endgültiges Ergebnis wird im Laufe des Tages erwartet.
Prorussische Positionen
Das Ergebnis ist für viele mehr als überraschend. Umfragen hatten dem rechten Politiker Georgescu nicht einmal den Einzug in die Stichwahl vorhergesagt. Georgescu gilt als extrem religiös und nationalistisch. 2022 wurde ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet, wegen der Verherrlichung von Verantwortlichen des Holocaust. Er vertritt prorussische Positionen und hat sich kritisch gegenüber der NATO-Mitgliedschaft Rumäniens geäußert.
Von seinen Konkurrenten und den klassischen Medien wurde Georgescu weitgehend ignoriert, dafür ist er sehr erfolgreich auf der Online-Plattform TikTok unterwegs. Kommentatoren in Bukarest meinten am Wahlabend, klassische Medien und etablierte Politiker müssten sich vorwerfen lassen, Georgescus politische Propaganda in sozialen Medien bisher nicht genügend beachtet zu haben. Auch Meinungsforscher hatten seinen Erfolg nicht kommen sehen, selbst Nachwahlbefragungen am Wahlabend ließen das Ergebnis nicht erahnen.
"Nicht weiter auf Knien"
Am Wahlabend sagte Georgescu auf einer via Facebook übertragenen Pressekonferenz, das rumänische Volk sei "zum Bewusstsein erwacht" und habe seinen Willen bekundet, "nicht weiter auf Knien, nicht weiter unter Invasion, nicht weiter erniedrigt" zu bleiben. Wirtschaftliche Unsicherheit habe zu diesem Votum geführt. "Heute Abend hat das rumänische Volk 'Frieden' gerufen", fügte Georgescu hinzu - wohl mit Blick auf Russlands Angriffskrieg auf die benachbarte Ukraine.
Rumänien - ganz im Osten der EU gelegen - hat rund 19 Millionen Einwohner, gilt als eines der ärmsten Länder Europas und grenzt im Norden an die Ukraine, die sich seit bald drei Jahren einer russischen Invasion erwehrt. Sollte Georgescu die Stichwahl am 8. Dezember gewinnen, könnte das die rumänische Außenpolitik verändern, die sich bisher strikt an EU und NATO ausrichtet. In Rumänien bestimmt der Präsident die Außen- und Verteidigungspolitik und ist an der Kontrolle der Geheimdienste beteiligt. Er hat mehr Macht als der deutsche Bundespräsident und weniger als das Staatsoberhaupt in Frankreich.
Denkwürdiges Duell
Der als Viertplatzierter mit 14 Prozent der Stimmen ausgeschiedene Bewerber George Simion von der rechtsextremen Parlamentspartei AUR kündigte an, Georgescu in der Stichwahl zu unterstützen. Platz drei belegte mit knapp 19 Prozent die Kandidatin der konservativ-liberalen Reformpartei, Elena Lasconi. Sie hat sich bislang für keinen der übrig gebliebenen Kandidaten ausgesprochen.
Für Rumänien ist die Situation nicht gänzlich neu: Bei der Präsidentenwahl im Jahr 2000 hatte es eine ähnliche Entscheidung gegeben: Damals standen sich in der Stichwahl der Sozialdemokrat Ion Iliescu und der Rechtsextremist Corneliu Vadim Tudor gegenüber. Die demokratischen Parteien taten sich zusammen und konnten auch dank kräftiger Unterstützung durch europäische Verbündete einen Extremisten im höchsten Staatsamt verhindern.
Mit Informationen von Silke Hahne, ARD-Studio Wien