
Parlament in Warschau Polen löst Disziplinarkammer auf
Der Schritt galt als eine Bedingung für EU-Corona-Hilfen. Nun hat das Parlament in Polen endgültig zugestimmt: Die Disziplinarkammer soll aufgelöst werden. Das EU-Parlament verweist aber auf anhaltende Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit.
Polens Parlament hat einem Gesetzentwurf zur Abschaffung der umstrittenen Disziplinarkammer zugestimmt. Die Auflösung der Kammer zählte zu den Bedingungen, von denen die EU-Kommission ihre Freigabe des polnischen Corona-Aufbauplans abhängig gemacht hatte.
"Über Polen hängt eine schwarze russische Wolke. Wir müssen heute eng zusammenarbeiten, wir brauchen Einigkeit bei dieser wichtigen Abstimmung", appellierte Regierungschef Mateusz Morawiecki vor der Entscheidung an die Parlamentarier.
Neue Kammer soll eingerichtet werden
Die Novelle geht auf einen von Präsident Andrzej Duda im Februar eingebrachten Entwurf zurück. Sie sieht die Auflösung der Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof vor, die jeden Richter bestrafen und entlassen kann. Die dort gegenwärtig tätigen Richter können in eine andere Kammer wechseln oder in den Ruhestand gehen. Anstelle der umstrittenen Disziplinarkammer soll eine neue "Kammer für berufliche Verantwortung" eingerichtet werden. Das Gesetz muss nun noch Duda unterzeichnet werden.
Die EU-Kommission hatte sich vergangene Woche nach langem Streit mit der polnischen Regierung auf einen Plan für die Auszahlung der Corona-Hilfen geeinigt. Das Land kann auf mehr als 35 Milliarden Euro hoffen. Die Genehmigung des polnischen Plans wurde immer wieder verschoben, weil von der Leyen eklatante Mängel im polnischen Rechtsstaat kritisierte, und zunächst Reformen forderte. Vor allem aus dem Europaparlament gab es heftige Kritik an der Entscheidung der EU-Kommission, den Aufbauplan zu billigen.
Erst Rechtsstaatlichkeit - dann das Geld
Heute nun stimmte schließlich eine große Mehrheit der Europaabgeordneten in Straßburg für eine Resolution, in der die Entscheidung der EU-Kommission scharf kritisiert wird. Die Parlamentarier verweisen auf anhaltende Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit in Polen und betonen, dass die Einhaltung von EU-Werten eine Bedingung für den Zugang zu dem Corona-Fonds sein müsse. Erst müssten alle rechtsstaatlichen Prinzipien vollständig eingehalten werden, dann erst sollten die Corona-Hilfsgelder an Polen ausgezahlt werden.
Reicht die Auflösung der Kammer aus?
Polen müsse alle einschlägigen Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umsetzen, bevor der nationale Aufbauplan durch die EU-Staaten genehmigt werden könne. Die in dem Plan festgelegten Etappenziele sind aus Sicht des Parlaments nicht ausreichend.
Außerdem bemängeln Kritiker aus der polnischen Opposition und Richterverbände, dass das Gesetz zur Abschaffung der Disziplinarkammer die Bedenken hinsichtlich der politischen Beeinflussung der Justiz in Polen nicht ausräume. Auch innerhalb der EU-Kommission gab es Zweifel daran, ob Warschau es mit seinen Reformen ernst meine.