
Bulgarien und Nordmazedonien Neuanfang im Streit unter Nachbarn
Bulgariens Regierungschef Petkow will heute nach Nordmazedonien reisen - ins Nachbarland, dessen EU-Beitrittsgespräche es seit 2020 blockiert. Kann ein Neuanfang in kleinen Schritten gelingen?
Bulgariens neuer Ministerpräsident Kiril Petkow, seit Dezember im Amt, hat eine schwere außenpolitische Hypothek geerbt: Der junge Reformer hat bei seiner ersten Reise nach Skopje das Veto seines Landes gegen die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit dem Nachbarn im Gepäck. Es geht um sehr unterschiedliche Auffassungen zu Fragen der Geschichte und Sprache sowie den Schutz vor Diskriminierung bulgarisch-stämmiger Staatsbürger in Nordmazedonien.
Dem ehemaligen Unternehmer Petkow liegen pragmatische Lösungen näher als dogmatisches Beharren auf bekannten Positionen. Dass er jetzt den ersten Schritt macht, um aus der Pattsituation herauszukommen, und als erster nach Skopje reist, statt in Sofia auf einen Besuch des neuen nordmazedonischen Premiers zu warten - das hat Petkow zu Hause Kritik von Opposition, Politologen und Journalisten beschert.
Doch Petkow hält dagegen: "Es ist an der Zeit, dass Politiker aufhören, einseitige Erklärungen abzugeben. Es ist Zeit, die Ärmel hochzukrempeln und anzufangen zu arbeiten", sagt er. "Die gute Nachbarschaft und der Beitritt der Republik Nordmazedonien zur EU, nachdem sie der bulgarischen Position nachgekommen ist, sind das Beste für Bulgarien."
Begrenzter Handlungsspielraum
Der außenpolitische Handlungsspielraum des Bulgaren hierfür ist begrenzt. Eine Woche vor der Reise nach Skopje knüpfte Staatspräsident Rumen Radew - welcher Petkows raschen Aufstieg unterstützt hat - die Visite an Bedingungen: Fortschritte werde es nur geben, wenn Nordmazedonien einen vier Jahre alten Freundschafts- und Nachbarschaftsvertrag auch endlich umsetze und wenn es nordmazedonische Staatsbürger bulgarischer Herkunft nicht mehr benachteilige.
Um "Vertrauen wiederherzustellen und die bilaterale Zusammenarbeit in allen Bereichen von gemeinsamem Interesse zu intensivieren", seien umfassende Maßnahmen Nordmazedoniens vonnöten, erklärte Radew: "Von besonderer Bedeutung sind Projekte, die Verkehrs-, Infrastruktur-, Digital- und Energieverbindungen mit Schwerpunkt auf dem Verkehrskorridor VIII sichern."
Der Verkehrskorridor VIII ist ein großes europäisches Eisenbahn-Projekt, das die albanische Hafenstadt Durres mit der bulgarischen Hafenstadt Varna verbinden soll. Die Bulgaren ärgern sich, weil sie mit den Schienenarbeiten auf ihrem Boden fertig seien, Nordmazedonien aber - entgegen der Vereinbarung - noch nicht einmal angefangen habe zu bauen.
"Geschichte den Historikern überlassen"
Die Regierung in Skopje hat außer dem Eisenbahnprojekt ganz andere Probleme. Vor allem die vergangenen zwei Monaten waren innenpolitisch turbulent: Erst am Sonntag ist im Parlament mit knapper Mehrheit der neue Ministerpräsidenten Dimitar Kovacevski ins Amt gewählt worden. Dessen Vorgänger Zoran Zaev hatte resigniert seinen Posten geräumt, nachdem er bei Kommunalwahlen nur ein schwaches Ergebnis eingefahren hatte.
Vier Jahre lang hatte Zaev versucht, die Bedingungen für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen zu erfüllen. Nach einem Teilerfolg - er hatte das Veto Griechenlands durch die Änderung des Landesnamens aufheben können - scheiterte er dann 2020 doch: Am Einspruch Bulgariens.
Der neue Premier will jetzt nach vorne schauen und sagt: "Auf dem herausfordernden Weg in die EU sind die Regierungen von Nordmazedonien und Bulgarien entschlossen, durch Zusammenarbeit und Dialog eine Lösung zu finden." Die Bürger beider Staaten seien daran interessiert, wirtschaftlich, kulturell und im Jugendaustausch zusammenzuarbeiten. "An solchen Themen müssen wir intensiv arbeiten und die Geschichte den Historikern überlassen."
Über die Identität der mazedonischen Nation und über die Eigenständigkeit der mazedonischen Sprache könne es allerdings keine Verhandlungen geben. Denn, meint der neue Regierungschef in Skopje: dies seien die "Grundlagen des Staates."