
Pegasus-Affäre "Watergate" in Polen?
Der Skandal um die Spähsoftware Pegasus hat auch Polen erreicht: Unangepasste Juristen und der Wahlkampfchef der Opposition wurden belauscht. Doch die Regierungspartei PiS macht lieber Witze, statt aufzuklären.
Die Rede ist von einem "polnischen Watergate" - für den Oppositionsführer und früheren Ministerpräsidenten Donald Tusk, dessen Regierungszeit selbst von allerhand Skandalen überschattet war, ist die Pegasus-Affäre schon jetzt beispiellos. "Das ist die tiefste und ernsteste Krise der Demokratie seit 1989."
Pegasus, die israelische Spähsoftware, wurde in Polen in mindestens drei Fällen missbräuchlich nicht etwa eingesetzt, um in die Telefone Krimineller einzudringen, sondern in die von Menschen, die der Regierung im Wege stehen, etwa das einer Staatsanwältin, die gegen die umstrittene Justizreform opponiert.
Wahlkampfchef der Opposition abgehört
Besonders intensiv sei das Telefon des früheren Wahlkampfchefs der oppositionellen PO-Partei angezapft worden, meldete das Citizen Lab der Universität Toronto, das weltweit illegalem Gebrauch der Spionagesoftware nachgeht.
Auch eine dem regierungsnahen Fernsehen angeblich zugespielte SMS Krzystof Brejzas könnte auf diese Weise entwendet worden sein, mutmaßt der Oppositionspolitiker. "Im Wahlkampf haben uns die PiS-Leute auf Schritt und Tritt begleitet. Wo wir hinkamen, tauchten sie auf, und deswegen bin ich der Meinung, die Sache sollte schnell aufgeklärt werden in einem Untersuchungsausschuss, denn das alles hat die Freiheit und Ehrlichkeit der Wahlen beeinflusst", sagt er.
Aufklärung? Kein Interesse der PiS
An einer Aufklärung im Parlament zeigt die dort dominierende Regierungspartei aber kein Interesse. Und auch die polnische Staatsanwaltschaft, die dem Justizminister direkt untersteht, lehnte es bislang ab, Ermittlungen aufzunehmen.
Indizien, die die regierungskritische "Gazeta Wyborcza" veröffentlichte, deuten darauf hin, dass der Justizminister seinerzeit selbst den Auftrag zum Erwerb der Software gegeben haben könnte. Dazu seien Mittel von einem Fonds für Verbrechensopfer abgezweigt und Parlamentarier getäuscht worden, liest man.
Ominöser Buchungsvorgang
Der oppositionelle Senator Krzystof Kwiatkowski, damals Chef des Rechnungshofes, erinnerte sich im Sender TOK FM an einen ominösen Buchungsvorgang im Jahr 2018. "Das war eine Rechnung für ein Informatiksystem - damals haben wir noch nicht den Namen 'Pegasus' benutzt, aber es war ein System zur tiefen Überwachung. Ich fand das entrüstend, denn hier wurde Geld umgeleitet, das eigentlich Opfern häuslicher Gewalt oder von Verkehrsunfällen zugutekommen sollte, nun aber per Verordnung ausgegeben wurde, um Bürger zu beschatten."
Doch bislang deutet wenig daraufhin, dass das angebliche polnische "Watergate" der Regierungspartei PiS mehr schaden wird als frühere Skandale und Affären, die an ihr abperlten. Was regelmäßig auch daran liegt, dass eine juristische oder parlamentarische Aufklärung ausbleibt und die Themen so schnell in Vergessenheit geraten.
Witze oder "Fake News"-Vorwürfe
Aktuell reagieren PiS-Politiker demonstrativ mit Witzchen über den Namen Pegasus oder erklären die Berichte rundweg zu "Fake News". Der Sprecher des Geheimdienstkoordinators betonte, verdeckte Operationen fänden ausschließlich auf Grundlage gerichtlicher Beschlüsse statt. Derweil hatte Israel dem Vernehmen nach Polen schon vor Bekanntwerden der Hackerangriffe als zweites EU-Land von der Liste der Länder gestrichen, die Pegasus benutzen dürfen, wie auch Ungarn.