Van der Bellen empfängt Putin 2018 in der Wiener Hofburg (Österreich)

Österreichs Energie An Russlands "Gasleine"?

Stand: 10.04.2023 08:17 Uhr

Weg vom russischen Gas? In Österreich geht man einen anderen Weg - die Importe aus Russland stiegen zuletzt sogar noch einmal an. Kritiker sprechen von einer Abhängigkeit, die bewusst eingegangen wurde.

Österreichs Gasimporte aus Russland steigen wieder. Im Dezember kamen geschätzte 71 Prozent der Gasimporte aus Russland. Im Februar sollen es schon fast wieder 80 Prozent gewesen sein. Insgesamt betrug der Anteil von Gas am gesamten Energieverbrauch Österreichs im vergangenen Jahr rund 23 Prozent.

Obwohl die russischen Lieferungen übers Jahr gesehen durchaus sanken, ist Österreich immer noch in besonders hohem Maße abhängig. Carola Millgramm von der Regulierungsbehörde E-Controll begründet die Zahlen mit der besonderen Lage Österreichs in Mitteleuropa. "Wir haben auch als Transitland für russisches Gas nach Europa eine sehr wichtige Rolle gespielt. Daher resultiert auch die Bedeutung, die russisches Gas für unsere Transportinfrastruktur hatte", sagte Millgramm der ARD.

Russlands Ziele und Österreichs Haltung

Herbert Lechner, der frühere Chef der Energieagentur Österreich (Austrian Energy Agency), einem gemeinnützigen wissenschaftlichen Verein, sieht Österreich dagegen an der russischen "Gasleine". Der ARD sagte er: "Von Russland war es von Beginn an intendiert, Österreich abhängig zu machen durch Gaslieferungen. In den Archiven findet man Dokumente, die das belegen, und die Politik hat sich zurückgehalten."

Wer nach den Gründen sucht, wird bei Gerhard Roiss fündig. Roiss war einmal Vorsitzender der OMV, des halbstaatlichen Öl- und Gaskonzerns. Während seiner Zeit als OMV-Chef in den Jahren zwischen 2011 und 2015 wollte Roiss die Abhängigkeit vom russischen Gaskonzern Gazprom verringern. Sein Ziel wäre gewesen, nur mehr 30 Prozent des Gases aus Russland zu beziehen. Der Rest sollte aus Norwegen und aus heimischen Quellen kommen.

Doch Roiss konnte sich nicht durchsetzen. Stattdessen wurde 2018, vier Jahre nach der völkerrechtswidrigen Besetzung der Krim durch Russland, der bestehende Gasvertrag mit großem Pomp bis 2040 verlängert.

Der frühere Gasmanager Roiss spricht im ARD-Interview von einer bewusst eingegangenen Abhängigkeit: "Diese Anhängigkeit wurde sukzessive in aller Öffentlichkeit aufgebaut. Das war kein Geheimnis. Man hat hier aus meiner Sicht sehr naiv agiert und in keiner Weise strategische Überlegungen angestellt. Und das ist keine politische Frage. Es ist ganz egal, wer der Lieferant ist. Das ist unverantwortlich."

Eine Anlage des Gas- und Ölkonzerns OMV in Schwechat (Österreich)

Österreichs Energiekonzerne wie der OMV importieren noch mehr Gas als im vergangenen Jahr - trotz des Kriegs in der Ukraine.

Freundschaft zelebriert

Österreichische Spitzenpolitiker gefielen sich offenbar in der Rolle als Partner Russlands. Laut Roiss geschah das auch in bewusster Abgrenzung zu den USA. Ein Blick in die Archive zeigt, wie die Freundschaft zu Russland zelebriert wurde: Wladimir Putin war sechsmal zu Gast in Österreich, nachdem er zum Jahreswechsel 1999/2000 Präsident Russlands geworden war. Für ihn und für Gazprom-Chef Alexej Miller gab es zuletzt 2018 einen großen Empfang in der Hofburg, der ehemaligen Kaiserresidenz.

Kremlchef Putin kam im selben Jahr als Überraschungsgast zur Hochzeit der früheren Außenministerin Karin Kneissl. Beim Fest in den Weinbergen der Steiermark wünschte er dem Brautpaar auf Deutsch alles Gute: "Liebes Brautpaar, ich gratuliere Ihnen von ganzem Herzen zur Eheschließung und Bildung einer neuen Familie. In Russland pflegt man den Brautpaaren Rat und Liebe zu wünschen." Im Juni 2021 wurde Kneissl in den Aufsichtsrat des russischen Energiekonzerns Rosneft berufen, den sie rund ein Jahr später wieder verließ.

Die österreichische Außenministerin Karin Kneissl tanzt auf ihrer Hochzeit mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Österreichs frühere Außenministerin Kneissl schätzt die Begegnung mit Putin - auch bei ihrer Hochzeit im Jahr 2018.

Der Rubel rollt - auch für österreichische Banken

Spezielle Beziehungen zu Russland bestehen auch im Finanzbereich. Die "Raiffeisenbank International" (RBI), eine Tochter der österreichischen Genossenschaftsbank, ist in Österreich und in Südosteuropa ein großer Player. Mit ihrem Russlandgeschäft machte die Bank im letzten Jahr zwei Milliarden Euro Gewinn. Jetzt diskutiert die österreichische Politik darüber, ob die Bank Putins Krieg finanziert.

Die hohen Gewinne sollen vor allem daraus resultieren, dass über RBI bis zu 50 Prozent des trotz des Krieges laufenden Zahlungsverkehrs mit Russland in Euro und Dollar abgewickelt wurden. Inzwischen interessieren sich die Europäische Zentralbank und die amerikanische Sanktionsbehörde OFAC für das Geschäft.

Bei der Hauptversammlung der Bank vor wenigen Tagen ging es darum, ob, und wenn ja unter welchen Bedingungen, sie das Russland-Geschäft aufgeben könnte.

Heimisches Biogas als Alternative?

Bei der Frage der Gasversorgung könnten die Weichen bald in Richtung Biogas aus Österreich gestellt werden. Wie das aussehen kann, zeigt die Biogasanlage im niederösterreichischen Amstetten. Die Anlage erzeugt schon seit Jahren aus organischen Abfällen Methangas. Geschäftsführerin Katharina Hader versteht sich als Vorreiterin und sieht ein großes Potential. Noch wird das produzierte Gas in Strom umgewandelt. Doch das wird sich bald ändern. Bis Sommer soll die gesetzliche Grundlage kommen, die es erlaubt, das erzeugte Gas direkt ins Netz einzuspeisen.

Amstetten wird bald Gas für 10.000 Haushalte produzieren. Für ganz Österreich könnten bis 2040 rund 20 Prozent des Gases Biogas sein.