
Bilanz der Münchner Sicherheitskonferenz Waffenkäufe und wenig Hoffnung auf Frieden
Bei der Münchner Sicherheitskonferenz stand der russische Angriffskrieg ganz klar im Fokus. Vertreter der Rüstungsindustrie waren gefragte Gesprächspartner. Es ging um mehr Munition, mehr Waffen - aber wenig um Frieden.
Zur Bilanz der Münchner Konferenz gehören enttäuschte Hoffnungen. Einige hatten auf dem chinesischen Gast geruht. Dass Wang Yi, Chinas Chefaußenpolitiker, extra nach München angereist war, hatte manchen sinnieren lassen, ob er vielleicht Brücken nach Moskau bauen oder direkt seinen Einfluss auf Russlands Präsident Wladimir Putin geltend machen könnte - schließlich wollte er von München gleich nach Moskau weiterreisen. Die Hoffnungen wurden enttäuscht.
An keiner Stelle ließ Wang erkennen, dass er Russlands Krieg gegen die Ukraine kritisch sieht. "China hat sehr klar Position bezogen mit der Vereinbarung einer unbegrenzten Freundschaft", und das schon einige Tage vor Kriegsbeginn, daran erinnerte Ursula von der Leyen. "Damit steht China sehr klar auf einer Seite." Die Präsidentin der EU-Kommission hatte selbst einiges versucht, um China zumindest beim Thema Sanktionen auf die Seite des Westens zu ziehen. Das war fehlgeschlagen.
In der Nacht versuchte der US-amerikanische Außenminister Antony Blinken, mit dem Gast aus China ins Gespräch zu kommen. Am Rande der Sicherheitskonferenz, aber mit ähnlich magerem Ergebnis. So mager, dass es nachher nicht einmal eine gemeinsame Erklärung gab. Blinken kritisierte den Einsatz von chinesischen Beobachtungsballons über Amerika, der chinesische Top-Diplomat nannte den Abschuss eine hysterische Reaktion.
Kallas: Nicht nur Putins Krieg
Anders als in früheren Jahren stand wegen des der russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine dieses Mal auch die Sicht der Osteuropäer bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Vordergrund. Der Krieg sei bei weitem nicht nur Putins Krieg, sagte die Regierungschefin von Estland, Kaja Kallas. Sie nahm das russische Volk mit in die Verantwortung. "Das sind imperialistische Träume, die die Russen haben", sagte Kallas und betonte, sie spreche nicht nur über Putin. "Es ist die Nation und ich frage mich, was an dem Imperium feiern sie?" Der Westen müssen "den Kreislauf durchbrechen".
Der Kreislauf - damit meint die estnische Regierungschefin den expansiven Kurs Moskaus von der Einverleibung und Unterdrückung der baltischen Länder in Sowjetzeiten bis hin zum Krieg gegen die Ukraine. Auch wenn Kallas' Gedanke einer Kollektivschuld des russischen Volkes ein einzelner Gedanke blieb - in der grundsätzlichen Haltung zum Krieg und den daraus zu ziehenden Konsequenzen herrschte bei der Sicherheitskonferenz Einigkeit.
Der Westen müsse massiv aufrüsten: Diese Forderung war immer wieder und in vielen Sprachen im Bayerischen Hof zu hören. Europas Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik, der Spanier Josep Borrell, brachte das am Schlusstag auf den Punkt: "Es ist noch viel zu tun, wir müssen unsere Militärhilfe für die Ukraine erhöhen und beschleunigen."
Gefragte Gesprächspartner
Mehr Waffen also und schnellere Lieferungen - im Bayerischen Hof waren kaum Stimmen zu hören, die sich offen gegen diese Zielsetzung gestellt hätten. Die von Regierungsvertretern, Abgeordneten und Sicherheitsexperten geteilte Einsicht machte die ebenfalls anwesenden Vertreter der Rüstungsindustrie zu gefragten Gesprächspartnern.
Vor allem Munition sollen sie liefern, sie wird dringend für den Nachschub gebraucht. Die Munitionslager auch im Westen leeren sich peu à peu, das hatte der Generalsekretär der NATO, Jens Stoltenberg, vergangene Woche vorgerechnet. Die Lücke zwischen dem, was in der Ukraine an Munition verfeuert wird und den deutlich geringeren Mengen, die in Europa im Moment produziert werden - diese Lücke werde immer größer, so Stoltenberg.
EU-Kommissionschefin von der Leyen kündigte Hilfe aus Brüssel an. "Wir können den gleichen Mechanismus anwenden, den wir bei den Impfstoffen hatten", sagte die CDU-Politikerin. Da habe man den Pharmaunternehmen vorweg einen Zuschuss gegeben. Ähnliche Hilfsmaßnahmen seien auch für die Rüstungsindustrie möglich. "Wir können genauso in Vorleistung treten, damit die Produktionsstraßen erweitert werden und schneller produziert und geliefert wird", so von der Leyen.
Irritation über ukrainische Äußerungen
Hilfsgelder für die Rüstungsindustrie aus einem europäischen Fonds, in dem die Mitgliedstaaten zusammenlegen - noch ist offen, was man in den Hauptstädten davon hält. Dabei dürfte eine Rolle spielen, dass die Rüstungsindustrie im Moment gar nicht in Finanznöten steckt. Viele Waffenproduzenten erzielten im Kriegsjahr hohe Gewinne. Rheinmetall zum Beispiel konnte den Börsenwert in einem Jahr verdoppeln.
Irritationen lösten die Äußerungen von gleich zwei ukrainischen Regierungsmitgliedern aus. Der stellvertretende ukrainische Regierungschef Olexander Kubrakow und Außenminister Dmytro Kuleba erklärten, sie könnten sich den Einsatz von Streumunition und auch Phosphor-Brandwaffen vorstellen. Beide Waffenarten sind völkerrechtlich geächtet, sie führen zu schwersten Verbrennungen und Vergiftungen. Kurz und schroff die Reaktion von NATO-Generalsekretär Stoltenberg: "Die Alliierten liefern solche Art von Waffen nicht."
Kuleba ließ trotzdem nicht locker. Die Ukraine sei nicht Vertragspartei des Übereinkommens über das Verbot von Streumunition. "Rechtlich gesehen gibt es dafür also keine Hindernisse", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Und wenn wir sie erhalten, werden wir sie ausschließlich gegen die Streitkräfte der Russischen Föderation einsetzen." Die Ukraine habe Belege dafür, dass Russland Streumunition verwende.