Ein vom sogenannten Innenministerium der abtrünnigen Region Transnistrien herausgegebenes Bild zeigt Sendemasten eines örtliche Radios, die angeblich Ziel eines Anschlags geworden sind

Explosionen in Transnistrien Terror oder Taktik?

Stand: 27.04.2022 09:04 Uhr

Die Republik Moldau fürchtet um ihre Sicherheit und Souveränität. Will Russland über die Südukraine auch einen Korridor in die abtrünnige Region Transnistrien schaffen? Und welche Rolle spielen angebliche Terroranschläge?

Von den zwei Sendemasten, die noch aus Sowjetzeiten stammten, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Auf Luftaufnahmen, die in den sozialen Medien kursieren, sieht es aus, als hätte jemand Mikado gespielt. Kreuz und quer liegen Stahlträger auf dem Gelände nahe der Siedlung Majak.

Die Behörden in der von Moldau abtrünnigen Region Transnistrien sprechen von einem Terrorakt. Die Anlage, die Russland gehöre und über die auch russisches Programm ausgestrahlt wurde, sei gesprengt worden. Zuvor hatten bereits Explosionen das Hauptquartier der Staatssicherheit in Tiraspol, der Hauptstadt der selbst ernannten Republik, erschüttert.

"Eine solche Provokation zielt darauf ab, die Lage zu destabilisieren und die Menschen nervös zu machen", ist der Abgeordnete Andrej Safonow überzeugt. Aber das sei nicht alles, erklärte er im Fernsehsender "Pervej Pridnestrowskij": "Es ist ein Versuch, die erfolgreiche Friedensmission in Transnistrien zu torpedieren."

Das zerstörte Gebäude des Ministeriums für Staatssicherheit in Tiraspol, Transnistrien.

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Ein eingefrorener Konflikt

Eine Mission, bei der russische Truppen bis heute eine maßgebliche Rolle spielen. Begonnen hatte sie Anfang der 1990er-Jahre, als sich Transnistrien von Moldau losgesagt und für eigenständig erklärt hatte. Es kam zu einem kurzen, blutigen Bürgerkrieg, der mit einem Waffenstillstand endete. Transnistrien wurde zu einem sogenannten De-facto-Regime.

Es gibt eine Hymne, staatliche Strukturen, ein Staatswappen, eine eigene Währung - auch wenn die Region völkerrechtlich weiter zur Republik Moldau gehört und es keinerlei internationale Akzeptanz gibt. Nicht einmal Russland, ohne dessen Hilfe Transnistrien kaum überleben könnte, hat die Eigenständigkeit der Region anerkannt.

Ein Wandgemälde am Hauptquartier der russischen "Friedenstruppen" in Tiraspol (Transnistrien/Moldau)

Bild der Entschlossenheit: ein Wandgemälde am Hauptquartier der russischen "Friedenstruppen" in Transnistrien

Russland meldet sich zu Wort und warnt

Als Schutzmacht aber fühlt sich Moskau angesichts der aktuellen Lage trotzdem auf den Plan gerufen. Vize-Außenminister Andrej Rudenko warnte vor einem Szenario, das eine Einmischung Russlands erfordere. Es gebe offenbar Kräfte, die daran interessiert seien, einen neuen Spannungsherd zu schaffen.

Eine Gefahr, die auch die Präsidentin der Republik Moldau sieht: "Es erhöht die Verwundbarkeit Transnistriens und schafft Risiken für die Republik Moldau", erklärte Maia Sandu nach einer außerordentlichen Sitzung des Sicherheitsrates und verurteilte "alle Provokationen und Versuche, die Republik Moldau in etwas hineinzuziehen, das den Frieden im Land in Gefahr bringen könnte".

Die Analyse zeige, so Sandu weiter, "dass es Spannungen zwischen unterschiedlichen Kräften innerhalb der Region gibt, die an einer Destabilisierung der Situation interessiert sind."

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Moldau in schwieriger Lage

Wer diese Kräfte sein könnten, darüber schweigt sie sich aus. Sie hat viel zu verlieren. Moldau ist auf Hilfen angewiesen. Von Seiten der EU, von der man sich angesichts der Lage rund um die Ukraine jetzt schnell einen Beitrittskandidatenstatus erhofft. Aber auch von Russland - mit Blick auf Gaslieferungen und den abtrünnigen Landesteil.   

Dass hinter dem Terror Taktik steht, davon gehen alle Seiten aus. Welche aber bleibt offen. Moskau und Tiraspol beschuldigen die Ukraine. Kiew sieht Russland am Werk.

Vielleicht geht es darum, Militärkräfte jenseits von Odessa und vom Donbass zu binden. Vielleicht geht es um größere geostrategische Überlegungen. Vielleicht aber auch einfach um Transnistrien.

Christina Nagel, Christina Nagel, ARD Moskau, 27.04.2022 08:10 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. April 2022 um 13:00 Uhr.