Raphael Halet am 16. März 2021

EGMR-Entscheidung zu "Lux-Leaks" Informant Halet zu Unrecht bestraft

Stand: 14.02.2023 16:32 Uhr

In der Affäre um Steuerpraktiken von Konzernen in Luxemburg steht nun fest, dass der Whistleblower Halet zu Unrecht verurteilt wurde. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied zudem, dass ihn der Staat Luxemburg entschädigen muss.

Für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte war das ein wichtiges Verfahren: Die Große Kammer hat entschieden, also waren insgesamt 17 Richterinnen und Richter beteiligt. Sie waren sich nicht alle einig, aber eine deutliche Mehrheit hatte sich für den Schutz des Whistleblowers Raphael Halet entschieden. Die Gerichte in Luxemburg hätten den Mann zu Unrecht verurteilt. Er bekommt daher vom Staat Luxemburg eine Entschädigung von 15.000 Euro und 40.000 Euro Prozesskosten.

Kläger Halet freut sich nach elf Jahren, endlich Recht zu bekommen. "Es geht hier nicht um mich, es geht um unsere Kinder, um andere Whistleblower, um andere Bürger, die sich jetzt auf diese Argumente berufen können", sagte Halet. Nach all den guten und schlechten Phasen, die er durchlebt habe, könnten sich andere zukünftig auf das Urteil stützen, wenn es um die Verurteilung von Whistleblowern gehe.

Claudia Kornmeier, SWR, zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für einen besseren Schutz von Whistleblowern

tagesschau24 12:00 Uhr

Geldstrafe wegen verletzter Arbeitgeberinteressen

Bislang hatte Halet immer vor Gericht verloren. Der frühere Mitarbeiter von PricewaterhouseCoopers PwC sollte zahlen, weil er die Interessen seines Arbeitgebers verletzt hätte. Er könne sich nicht darauf berufen, dass er im Interesse der Öffentlichkeit gehandelt habe, denn seine Informationen seien ja so neu nicht gewesen. Tatsächlich war Halet nur der zweite Whistleblower in der Offenlegung des großen "Luxleaks"-Skandals.

Zunächst hatte ein anderer Mitarbeiter von PwC, Antoine Deltour, 45.000 Seiten Kopien von internen Dokumenten an einen Journalisten weitergegeben. Erst als die Presse auf dieser Grundlage berichtete, dass der Luxemburger Staat durch Vermittlung von PwC in großem Stil internationale Konzerne von der Steuer befreite, meldete sich Halet mit weiteren Dokumenten bei der Presse. Weil es nichts Neues gewesen sei, wurde Halet verurteilt.

Für Halets Anwalt war dieser Umstand ein komplett unzulässiges Argument: "Das ist Sache des jeweiligen Journalisten, seine Quellen zu bewerten. Das ist nicht die Aufgabe der Quelle selbst. Das darf man den Whistleblowern nicht zur Last legen."

Halet hatte in Luxemburg eine vermeintlich geringe Geldstrafe von rund 1000 Euro bekommen. Aber Strafe bleibt Strafe, so sein Anwalt. Auch das würde Whistleblower abschrecken.

Die "LuxLeaks"-Affäre

Im "LuxLeaks"-Skandal waren vertrauliche Steuervereinbarungen zwischen Luxemburg und 340 multinationalen Konzernen öffentlich geworden. Zu den Unternehmen, die infolge der Vereinbarungen die Möglichkeit bekamen, Milliarden Dollar an Steuern zu vermeiden, gehörten Amazon, Apple, Ikea, Pepsi, AIG und Verizon. Geschlossen wurden die Vereinbarungen unter dem damaligen luxemburgischen Ministerpräsidenten und späteren EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker.

EGMR bekräftigt Schutz von Whistleblowern

Das sehen nun die Richterinnen und Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg genauso. Sie sagen, das öffentliche Interesse, solche Vorgängen aufzudecken, sei deutlich gewichtiger gewesen als das Interesse des Arbeitgebers, vertrauliche Informationen nicht nach außen zu getragen.

Halet habe in jedem Fall zu einer öffentlichen Debatte beigetragen. Die Luxemburger Gerichte hätten den Fall also nicht richtig beurteilt. Auch geringe Strafen hätten einen abschreckenden Effekt auf alle, die im Sinne der Öffentlichkeit etwas offenlegen wollen.

Gigi Deppe, Gigi Deppe, SWR, 14.02.2023 16:51 Uhr