
Liz Truss Möglichst plakativ und gewöhnlich
Liz Truss ist am Ziel: Sie beerbt Boris Johnson als Tory-Chef und damit auch als Premierminister. Dafür hat Truss intensiv an ihrem Image gearbeitet und es dabei mit den Fakten nicht immer genau genommen.
Liz Truss gibt sich gerne gewöhnlich, anti-elitär. Keine Privatschule, wie sie so viele andere Politiker auch der Konservativen Partei besucht haben.
"Ich komme nicht aus den typischen Verhältnissen, in denen konservativ gewählt wurde. Ich bin in Schottland und in Leeds in Yorkshire aufgewachsen. Dort bin ich in eine Gesamtschule gegangen. Und dort sah ich, wie Schüler vernachlässigt wurden."
So erzählte sie es gerne bei den Wahlkampfauftritten in den vergangenen Wochen und erklärte anschließend: Daher sei ihre Motivation gekommen, in die Politik zu gehen.
Die Lehrer von damals widersprechen
Chancengleichheit, Leistungsgesellschaft - in dieser Anekdote transportiert sie genau dieses konservative Leitbild. Längst haben sich Lehrer und Schüler von damals zu Wort gemeldet und dem Bild widersprochen, das in den Reden von Truss entstanden sein mag. Es sei keine schlechte, heruntergekommene Schule gewesen, die sie besucht habe, sondern eine des Mittelstands, wenn auch keine der Elite.
Noch vor Wochen hatte sie behauptet, die Verwaltung damals sei von Labour-Politikern geprägt gewesen. Auch das wurde widerlegt, der Bezirk damals war bereits in der Hand der Konservativen, bei den vergangenen Auftritten verzichtete sie auf entsprechende Aussagen.

Im Wahlkampf trat Truss auch in Leeds auf - allerdings nicht an ihrer ehemaligen Schule, dafür aber mit der Mutter an ihrer Seite Bild: REUTERS
Der familiäre Hintergrund: eher links
Liz Truss kämpft mit harten Bandagen, ohne Rücksicht auf Details. Geboren wurde sie 1975 als Mary Elisabeth Truss, sie hat drei Brüder. Der Vater war Professor für Mathematik, die Mutter Krankenschwester. Beide waren eher links eingestellt.
Die Mutter demonstrierte auch schon mal für die nukleare Abrüstung. In Schottland, wo die Atom-U-Boote der britischen Marine stationiert sind, ist das ein großes Thema. Zu Hause wurde viel musiziert und gespielt. Monopoly und Cluedo zum Beispiel, wie einer ihrer Brüder in einem Interview sagte. Sie habe immer gewinnen wollen und deswegen auch schon mal geschummelt.
Truss studierte Philosophie, Politik und Wirtschaft in Oxford, trat der liberaldemokratischen Hochschulgruppe bei, wurde dort Vorsitzende. Sie hielt eine Rede, in der sie sich für die Republik und gegen die Monarchie aussprach.
Sie setzte sich mit den wirtschaftsliberalen Ideen auseinander, beispielsweise von Friedrich August von Hayek, die auch Margaret Thatcher beeinflusst hatten. 1996 trat sie der Konservativen Partei bei und arbeitete unter anderem für den Energiekonzern Shell. Sie kandidierte zwei Mal erfolglos, zog 2010 schließlich als Abgeordnete ins Unterhaus ein.
Erst gegen, dann für den Brexit
Als Abgeordnete setzte sich Truss zunächst dafür ein, dass das Vereinigte Königreich in der Europäischen Union bleibt. 2016, nachdem die Briten für den Austritt gestimmt hatten, änderte sie ihre Meinung. Sie wurde Justizministerin, später Außenministerin.
Ihre Haltung zum Brexit? Man müsse die Chancen des Austritts endlich umsetzen, sagt sie heute. Und um das Wachstum anzuschieben, sollen alle Hürden, die Brüssel auferlegt habe, bis Ende 2023 gestrichen werden, verkündete sie im Wahlkampf.
Möglichst plakativ
Viele ihrer Versprechen klingen mittlerweile wie die, die Boris Johnson einst gemacht hat. Zum Beispiel in der Ukraine-Politik: Die schnelle Unterstützung für das ukrainische Militär will sie weiterhin gewährleisten.
Die Parteibasis mag plakative Aussagen, verbindliche Versprechen. Mit einer vorhergesagten Rezession, hohen Gaspreisen und Inflation wird Truss sofort liefern müssen - oder in der Gunst der Partei schnell verlieren.