
Kultur-Protest in den Niederlanden Zum Haareschneiden ins Konzert
Mehr als 70 Theater, Museen und Konzertsäle in den Niederlanden haben trotz Verbots ihre Türen geöffnet. Bühnen wurden zu Friseursalons oder Yoga-Studios, Künstler traten auf - ein Protest gegen die strengen Corona-Maßnahmen.
Diederik Ebbinge schreitet über die Bühne der Kleinen Komödie in Amsterdam. Für ein paar Stunden will der niederländische Schauspieler, Komiker und Regisseur das Theater in einen Friseursalon verwandeln. "Hier steht ein Friseurstuhl mit einem professionellen Friseur und hier vorne ein zweiter. Da werden die Kunden frisiert. Und im Saal warten die Leute, die ebenfalls einen Termin haben. Und mitten auf der Bühne steht ein Kabarettist, um die Kunden zu unterhalten."
Föhnen auf den Brettern, die die Welt bedeuten
Für das einmalige Event hat Ebbinge die bekanntesten Kleinkünstler des Landes gewinnen können. Sie werden abwechselnd auftreten, während hinter ihnen auf der Bühne die Friseure waschen, schneiden und föhnen. Youp van’t Hek, Claudia de Breij oder Freek de Jonge füllen normalerweise große Hallen, begnügen sich heute aber mit einem kleinen Publikum.
"Hier passen 500 Menschen rein", sagt Ebbinge, "wir belassen es aber bei 50, denn wir wollen uns an die Regeln halten. Es sind also 50 Zuschauer mit Mundschutz und Impfnachweis. Wir halten uns an alle Regeln, so wie die Friseursalons das auch müssen. Die Zuschauer verlassen das Theater durch den Artisteneingang, und dann dürfen vorne die nächsten Leute rein und erleben wieder drei Comedians. Insgesamt treten etwa 20 Künstler auf."

Im ganzen Land beteiligen sich verschiedene Einrichtungen an der Aktion. Hier wird im Van-Gogh-Museum in Amsterdam frisiert.
Rund 70 Kultureinrichtungen machen mit
Rund 70 Theater und viele andere Kultureinrichtungen im ganzen Land beteiligen sich an der Aktion, darunter das Van Gogh Museum, das Amsterdamer Concertgebouw und das Mauritshuis in Den Haag.
Ein Museum in Limburg lädt zum Yoga-Kurs ein, die Burg Loevestein bittet zum Bootcampen und das Städtische Museum Arnheim wird zum Fitness-Studio.

Yoga-Kurse in den Ausstellungsräumen des Amsterdam Museums.
Bußgelder drohen - verrückt sei das
Viele Bürgermeister zeigen durchaus Verständnis für die kreative Idee der Kulturschaffenden. Dennoch wollen die meisten gegen die Öffnung von Museen, Theatern und Konzerthäusern vorgehen und Bußgelder verhängen.
Verrückt sei das, meint die Schauspielerin und Kabarettistin Sanne Wallis de Vries, die das Programm in der Kleinen Komödie mit organisiert. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Friseure, Masseure und Kosmetiker wieder arbeiten dürften, Schauspieler, Musiker, Tänzer und Comedians hingegen nicht. "Die Prioritäten sind nicht deutlich", sagt de Vries.
Warum dürfen Geschäfte öffnen, aber der Kultursektor nicht. Wir haben so einen Protest noch nie auf die Beine gestellt. Was wir jetzt machen, ist ein spielerischer Umgang mit den Corona-Regeln. Und es ist nur ein Tag, ein paar Stunden am Mittag. Viele Leute haben Lust darauf und unterstützen unsere Idee.
Konzept für Betrieb trotz hoher Infektionszahlen
Selbst bei hohen Infektionszahlen sei es nicht nötig, die Kultureinrichtungen im Land zu schließen. Dies schreibt die sogenannte Taskforce für den kulturellen und kreativen Sektor in einem Brief an die Regierung in Den Haag. Die Interessengemeinschaft hat einen Plan erarbeitet, der detailliert beschreibt, wie die Branche auf bestimmte Gefahrenlagen reagieren will.
Jeroen Bartelse ist Sprecher der Gruppe und managt das Konzerthaus Tivoli Vredenburg in Utrecht. Er sagt: "In jeder Phase dieser Epidemie müssen wir dafür sorgen, dass der Kultursektor offen bleibt und Menschen empfangen kann. Das geht durch Impfnachweise, anderthalbmeter Abstand, geringere Auslastung der Säle oder indem wir jeden Zuschauer testen. Auf diese Weise ist es sehr gut möglich, die Einrichtungen, die Säle, die Museen offen zu halten."

Teil der Protestaktion: Maniküre im Van Gogh Museum in Amsterdam
Während Geschäfte und Sportstätten seit ein paar Tagen wieder öffnen dürfen, müssen Theater, Kinos und Museen ebenso wie die Gastronomie vorerst geschlossen bleiben. Anfang nächster Woche will das Kabinett entscheiden, ob diese Regel gelockert werden kann. Ähnlich wie in Deutschland, gibt es auch in den Niederlanden fast täglich neue Rekordzahlen bei den Neuinfektionen. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 1200.