Ein türkischer F16-Kampfjet bei einer NATO-Übung (Aufnahme: 15.09.2022)

Griechenland und Türkei Konflikt um Ägäis-Inseln spitzt sich zu

Stand: 27.09.2022 12:58 Uhr

Die Türkei und Griechenland streiten schon lange um den Status griechischer Inseln in der Ägäis. Mit Stationierungen und Manövern wächst die Sorge darum, dass sich eine militärische Konfrontation anbahnt.

Von Susanne Güsten, ARD-Studio Istanbul

Die griechischen Streitkräfte hätten rund 40 gepanzerte Fahrzeuge auf die Ägäis-Inseln Lesbos und Samos gebracht, berichtete die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf Sicherheitskreise - das würden Aufnahmen türkischer Drohnen belegen. Das türkische Außenministerium bestellte am Montag den griechischen Botschafter ein und warf seinem Land vor, den demilitarisierten Status der Inseln zu verletzen.

Wie aus dem griechischen Außenministerium verlautete, warf der Botschafter der Türkei im Gegenzug vor, mit ihren Drohnen widerrechtlich griechisches Gebiet zu überfliegen. Die Türkei suche einen Casus Belli, einen Kriegsgrund, sagte der Botschafter demnach. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan beschuldigte Griechenland, die Türkei zu provozieren.

Erdogan wirft Griechenland Hetze vor

Während die Türkei damit beschäftigt sei, die Kriege, Krisen und Spannungen der Welt beizulegen, habe der Nachbar Griechenland nichts anderes zu tun, als zu hetzen und zu provozieren, sagte Erdogan nach einer Kabinettssitzung in Ankara.

Mit ihren Provokationen wolle die griechische Regierung die Zeit und Energie der Türkei verschwenden, um den Aufstieg des Landes zu verhindern - das wisse er sehr gut, sagte Erdogan. Nach Meldung der Nachrichtenagentur Anadolu sandte Ankara auch eine Protestnote an die USA. Die Regierung forderte Washington darin auf, Maßnahmen zum Schutz des demilitarisierten Status der Inseln zu ergreifen. Auch Erdogan wandte sich in seiner Ansprache an die Amerikaner.

Dieses Spiel sei nicht nur für das griechische Volk gefährlich, sagte der türkische Präsident, sondern auch für jene, die sie als Marionetten einsetzen würden.

Griechenland nennt Erdogan unberechenbar

In Athen wächst nach Informationen aus diplomatischen Kreisen die Sorge, dass sich tatsächlich eine militärische Konfrontation anbahnt. Türkische Kampfbomber seien alleine am Montag fast hundert Mal in den griechischen Luftraum eingedrungen, hieß es dort. Zweimal hätten sie griechische Inseln überflogen und zweimal griechische Flieger in simulierte Kämpfe verwickelt - sogenannte Dogfights. Der türkische Präsident goss mit seinen Äußerungen weiteres Öl ins Feuer.

Er wolle Griechenland noch einmal daran erinnern, welchen Preis das griechische Volk und seine Führung vor 100 Jahren bezahlt hätten, als die Türkei ihre Streitkräfte im türkischen Befreiungskrieg besiegte, sagte Erdogan. In Athen hieß es dazu, der türkische Präsident sei nun völlig unberechenbar. Die griechische Regierung habe Washington, Paris und Berlin alarmiert.

Es geht um vier Inseln

Die Türkei und Griechenland streiten seit Jahren über den Status von Inseln im nordöstlichen Mittelmeer. Schon wegen einer unbewohnten Felsinsel wäre 1996 fast ein Krieg zwischen den beiden NATO-Staaten ausgebrochen.

Diesmal geht es um sehr viel mehr: um die griechischen Inseln Lesbos, Chios, Samos und Ikaria vor der türkischen Westküste sowie die Dodekanes-Inseln, die ebenfalls nahe der türkischen Küste liegen und Griechenland gehören - die größte davon ist Rhodos.

Die Türkei beschuldigt Griechenland, gegen Auflagen zu verstoßen, unter denen es die Inseln nach den Weltkriegen erhalten hatte, und stellt deshalb den griechischen Anspruch auf die Inseln infrage.

Susanne Güsten, SWR, 27.09.2022 12:19 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 27. September 2022 um 12:10 Uhr.