Kosovaren bejubeln in der Hauptstadt Pristina mit Fahnen den Jahrestag der Unabhängigkeit des Kosovo. (Archivbild: 17.2.2008)

Kosovo 15 Jahre unabhängig Stabil genug für Zugeständnisse?

Stand: 18.02.2023 15:57 Uhr

15 Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit sehen viele Kosovaren die Entwicklung ihres Landes als Erfolgsgeschichte. Der Kosovo hofft auf einen Beitritt zur EU, doch ein wichtiges Problem bleibt ungelöst.

Mitten in der kosovarischen Hauptstadt Pristina stehen sieben riesige Buchstaben. Das Kunstwerk erinnert an den Unabhängigkeitstag. "NEWBORN" steht da in riesigen Lettern. Enthüllt wurden die Buchstaben am 17. Februar 2008, als im Parlament in Pristina die Unabhängigkeit Kosovos von Serbien deklariert wurde. 

Der Künstler hinter dem Schriftzug ist Fisnik Ismaili. Jedes Jahr gestaltet Ismaili das Denkmal neu, jedes Mal mit einer politischen Botschaft. In den kommenden zwölf Monaten werden die Buchstaben in den kosovarischen Nationalfarben Blau und Gelb leuchten.

Außerdem werden sie neu sortiert. Der neue Schriftzug: "NO NEW BR". BR steht laut Ismaili für "broken republic". Für den Künstler ist Kosovo in Gefahr, kaputtzugehen. 

Es geht also um territoriale Unversehrtheit. Ismaili kritisiert Überlegungen, zehn überwiegend serbisch bewohnten Gemeinden im Land mehr Autonomie zu geben. Es ist das politische Streitthema in diesen Tagen im Kosovo.  

Dahinter steht der wachsende Druck der USA und der EU auf Serbien und Kosovo seit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Der Balkan soll kein neuer Brandherd werden, Serbien und Kosovo sollen ihre Beziehungen normalisieren. Von Kosovo verlangen EU und USA, eine alte Zusage zu erfüllen: die Gründung eines Verbands serbischer Gemeinden.  

 

Denkmal in Pristina (Kosovo) würdigt die Unabhängigkeit des Landes und warnt vor dem Zerfall mit den Buchstaben "NO NEW BR" - No New Broken Republic

Jährlich eine neue Botschaft - zum Jubiläum die Warnung vor dem Verlust der Staatlichkeit: das Denkmal von Fisnik Ismaili in Pristina.

Schutz oder Spaltung?

Vier davon liegen im Norden Kosovos, die größte ist Nord-Mitrovica. Politisch dominiert hier die Partei "Serbische Liste", die von der serbischen Regierung unterstützt wird. Doch auch oppositionelle Serben stehen für mehr Autonomie ein.

Aleksandar Arsenijevic zum Beispiel, der eine eigene kleine Partei gegründet hat und sich selbst als Serbe und Kosovare definiert. Er glaubt, dass ein Verband serbischer Gemeinden die Recht der Serben schützen würde und Diskriminierung, die er beklagt, verhindern könnte. "Außerdem würde er die sehr weit verbreitete Angst der serbischen Gemeinde vor einer Assimilierung in die albanische Gesellschaft verringern." 

Die Regierung in Pristina und viele Kosovo-Albaner fürchten aber, dass ein serbischer Gemeindeverband den laut Verfassung multiethnischen Staat Kosovo teilen oder blockieren könnte.  

"Eine enorme Erfolgsgeschichte"

Aktuell ist keine Lösung in Sicht. Die Menschen in Kosovo beschäftigten derweil ganz andere Dinge, sagt der politische Analyst Demush Shasha, der einen pro-europäischen Think-Tank in Pristina leitet. Sie wollten eine bessere staatliche Fürsorge, zum Beispiel bessere Bildung und ein besseres Gesundheitssystem.

Vor 15 Jahren hätte Shasha auch nicht geglaubt, dass Kosovo heute immer noch um internationale Anerkennung und Visaerleichterungen kämpft. Dennoch findet er, sei das Land weit gekommen. 

"Kosovo ist nach 15 Jahren eine enorme Erfolgsgeschichte in Sachen Staatenbildung. Nach dem Krieg hatten viele Leute nicht mal ein Dach über dem Kopf. Nach nur 15 Jahren Unabhängigkeit haben wir nun eine extrem widerstandsfähige Demokratie." 

Zeit für Normalität

Einer, der an der Staatenbildung beteiligt war, ist Fatmir Sejdiu. Er war 2008 Präsident des Kosovo. Für Sejdiu ist es nun an der Zeit, dass sich der Status seines Landes normalisiert.

Der Gedanke, dass Kosovo dafür vielleicht Konzessionen an die serbische Minderheit machen muss, fällt ihm aber schwer. Er meint, die serbische Minderheit habe mehr Rechte als Minderheiten in vielen anderen Staaten. Zwar habe Kosovo die Gründung eines serbischen Gemeindeverbands versprochen. Gedacht sei der aber eher als eine lose Organisation.  

"Aber die Gemeinden können keine Institution formen, wie sie es wollen, mit Exekutivbefugnissen. Das ist inakzeptabel." 

Gelegenheit, Geschichte zu schreiben

Entscheiden werden das letztlich aber zwei andere Männer: Der serbische Präsident Alexandar Vucic und der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti. Beide haben vorsichtige Zustimmung zu Verhandlungen signalisiert. Seitdem ist aber wenig passiert.  

Der Politologe Demush Shasha ist überzeugt, dass beide die Gelegenheit nicht verstreichen lassen werden, vielleicht in die Geschichte einzugehen. 

Bei vielen Menschen in Serbien und Kosovo ist die Skepsis dem Dialog gegenüber jedoch groß. Der Künstler Ismaili ist jedenfalls sehr enttäuscht von den aktuellen Entwicklungen: "Solange Serbien Kosovo nicht als unabhängig anerkennt, sollte es gar keine Gespräche geben."  

 

Silke Hahne, Silke Hahne, ARD Wien, 17.02.2023 16:45 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 17. Februar 2023 um 06:45 Uhr.