Zwei Passanten in Rom mit Maske | REUTERS

Regierung Meloni Italiens Wende in der Corona-Politik

Stand: 31.10.2022 04:40 Uhr

Italiens Anti-Covid-Politik war eine der konsequentesten in Europa. Die neue Regierung Meloni macht damit Schluss. Heute soll die Impfpflicht für Ärzte und Pfleger abgeschafft werden - doch das ist nicht alles.

Von Jörg Seisselberg, ARD-Studio Rom

Der neue Gesundheitsminister Orazio Schillaci hat es eilig mit einer Wende in Italiens Anti-Covid-Politik. Bereits heute, in der ersten Kabinettssitzung nach den Vertrauensabstimmungen, will die Regierung Meloni die Abschaffung der Impfpflicht für Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger beschließen.

Jörg Seisselberg ARD-Studio Rom

Giorgia Meloni hatte in ihrer Regierungserklärung angekündigt, ihr Kabinett werde die ihrer Ansicht nach zu harte Linie der Regierung Draghi in der Covid-Bekämpfung "unter keinen Umständen" fortsetzen.

Meloni und ihre Minister bewegten sich in eine gefährliche Richtung, warnt der Mikrobiologe Andrea Crisanti, während der Pandemie einer der bekanntesten Corona-Experten in Italien und seit der Wahl Senator der oppositionellen Demokraten: "Was Meloni sagt, ist der Beleg, dass die Erinnerung offensichtlich Ferien macht."

Sie habe vergessen, kritisiert Crisanti, "dass vor allem die Lombardei auf dramatische Weise zur hohen Zahl an Toten und Infizierten in der Pandemie beigetragen hat".

Die Probleme in der Region Lombardei, die von Melonis Koalitionspartner Lega regiert ist, waren nach Ansicht Crisantis zum Teil der Tatsache geschuldet, dass die dort Verantwortlichen das Covid-Problem nicht ernst genommen haben. Der Kurs der neuen Regierung Meloni sei eine Verbeugung vor den Corona-Leugnern und Impfgegnern, sagt Stefano Bonaccini, möglicher neuer Parteichef der Demokraten und Präsident der Region Emilia-Romagna.

Covid-Zahlen nur mehr wöchentlich

Das Streichen der Impfpflicht für das medizinische Personal ist aber nur ein Teil der von Italiens Regierung geplanten Maßnahmen. Künftig sollen nicht mehr täglich, sondern nur noch einmal die Woche die aktuellen Covid-Zahlen bekannt gegeben werden.

Am Wochenende hatte Finanz- und Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti für Impfverweigerer eine vorläufige Amnestie erlassen. In diesen Tagen sollten Bußgeldbescheide an rund eine Million Über-50-Jährige verschickt werden, die der gesetzlichen Impfpflicht nicht nachgekommen sind. Sie war unter Mario Draghi für diese Altersgruppe eingeführt worden.

Die Regierung Meloni hat das Bestrafen der Impfverweigerer gestoppt. Formal sind die Bußgeldbescheide (jeweils über 100 Euro) nur bis zum 30. Juni nächsten Jahres ausgesetzt - dadurch aber konnte die Regierung die Maßnahme sofort verordnen.

Stellt sich Mattarella quer?

In der heutigen Kabinettssitzung will die Regierung auch ein weitgehendes Ende der noch gültigen Maskenpflicht in Krankenhäusern und Altersheimen beschließen. Hier allerdings droht sich Staatspräsident Sergio Mattarella querzustellen.

In einer Rede am Wochenende vor Wissenschaftlern ging Mattarella zwar nicht im Einzelnen auf die geplanten Maßnahmen der Regierung Meloni ein - er warnte aber, die Corona-Gefahr für beendet zu erklären: "Nach mehr als zweieinhalb Jahren Pandemie können wir noch nicht den endgültigen Sieg über Covid ausrufen. Verantwortung und Vorsichtsmaßnahmen sind nach wie vor erforderlich." Der öffentliche Gesundheitssektor, sagte Mattarella, habe die Verpflichtung, das Sicherheitsniveau hoch zu halten, "besonders für die Schwächsten und Ältesten".

Vorgeschmack auf die kommenden Monate?

Nach dieser Ermahnung des in Italien als Autorität geachteten Staatspräsidenten ist die Regierung Meloni bereit, ihre geplanten Lockerungen etwas abzuschwächen. Eine Maskenpflicht zumindest für die besonders gefährdeten Bereiche in Krankenhäusern und Altersheimen soll nun laut Medienberichten aufrecht erhalten werden.

Der Konflikt mit dem Staatspräsidenten in der Covid-Politik ist möglicherweise ein Vorgeschmack auf die kommenden Monate. Mattarella, der aus der Demokratischen Partei kommt, könnte bei einigen Gesetzesvorhaben zum wichtigsten Gegenspieler den neuen, rechten Regierung werden. Laut italienischer Verfassung hat der Staatspräsident ein Vetorecht und kann das Unterzeichnen von Gesetzen ablehnen, wenn er durch sie grundlegende Probleme für das Land befürchtet.

Aktuell geht die Zahl der Covid-Infektionen in Italien zurück. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei rund 350 - und damit rund ein Drittel niedriger als in Deutschland. Experten führen die Zahlen unter anderem darauf zurück, dass Italien unter der Regierung Draghi eine der höchsten Impfquoten in Europa erreicht hat.