Boris Johnson im Unterhaus

Geld für Pflegereform Unterhaus billigt massive Steuererhöhung

Stand: 08.09.2021 22:35 Uhr

Das britische Parlament hat die größte Steuererhöhung seit Jahren gebilligt. Benötigt wird das Geld für eine Gesundheitsreform. Premier Johnson steht dafür in der Kritik - denn im Wahlkampf hatte er das Gegenteil versprochen.

In London hat das Unterhaus am Abend den umstrittenen Plänen von Regierungschef Boris Johnson zur Gesundheitsreform in Großbritannien zugestimmt. Das Vorhaben erhielt 319 Ja-Stimmen, 248 Abgeordnete stimmten dagegen. Mehrere Mitglieder der Regierungsfraktion enthielten sich.

180 Pfund mehr für Geringverdiener

Die Beiträge zur Sozialversicherung National Insurance, die mit der Steuer abgeführt werden, sollen um 1,25 Prozent steigen. Das bedeutet nach Angaben der Regierung, dass Menschen mit einem Jahreseinkommen von 21.000 Pfund ab April etwa 180 Pfund mehr zahlen.

Umgerechnet 14 Milliarden Euro pro Jahr will Johnson so in das Gesundheitssystem NHS pumpen. Der National Health Service ist stark überlastet und unterfinanziert. Es fehlt Personal, die Bezahlung ist schlecht. Derzeit warten etwa fünf Millionen Menschen in Großbritannien auf eine Operation - auch eine Folge der Corona-Pandemie.

Pflegebeitrag gedeckelt

Mit der Reform soll auch der Eigenanteil an Pflegekosten künftig auf 86.000 Pfund (rund 100.000 Euro) gedeckelt werden. Bislang müssen sich pflegebedürftige Menschen in unbeschränkter Höhe an den Kosten für ihre Versorgung beteiligen. Die Pflege älterer, kranker und behinderter Erwachsener in Großbritannien muss derzeit größtenteils von Einzelpersonen getragen werden, die oft ihre Ersparnisse aufbrauchen oder ihr Haus verkaufen müssen, um die Pflege zu bezahlen.

Johnson versprach im Wahlkampf keine Steuererhöhungen

Dennoch war die öffentliche Debatte im Vorfeld der Abstimmung hitzig. "Die höchsten Steuern seit dem Krieg", titelte der "Daily Telegraph". Ähnlich die "Times": "Höchste Steuerlast seit 70 Jahren". Und die Boulevard-Zeitung "The Sun" nennt die Pläne der Regierung "Bojo's biggest gamble" - "sein größtes Spiel".

Erschwerend hinzu kommt, dass Johnson im Wahlkampf 2019 versprochen hatte, Steuererhöhungen werde es mit den Tories nicht geben. Zudem war eines der zentralen Argumente der Brexit-Befürworter, dass mit dem Geld, das London jahrelang an die EU gezahlt hatte, der Gesundheitssektor massiv gestärkt werden würde. Bessere Gesundheitsfürsorge zum Nulltarif sozusagen.

Konservative enthalten sich

Das Vorhaben war deshalb auch in den Reihen der konservativen Tories umstritten. Einige Abgeordnete hatten angedeutet, gegen die Steuererhöhung zu stimmen. Von der komfortablen Mehrheit von 361 Abgeordneten im Parlament stimmten nur 319 für den Plan der Regierung.

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag läuft am 08. September 2021 um ca. 17:30 Uhr auf NDR Info.