Boris Johnson | AFP

Premier-Suche in Großbritannien Bekommt Johnson eine zweite Chance?

Stand: 21.10.2022 17:24 Uhr

Die britischen Konservativen suchen mal wieder einen Kandidaten für das Amt des Premierministers. Ihre Bewerbung bestätigt hat die Ministerin für Parlamentsfragen, Mordaunt. Viele fragen sich aber: Bekommt Johnson eine zweite Chance?

Nach dem Rücktritt der britischen Premierministerin Liz Truss hat das Rennen um ihre Nachfolge Fahrt aufgenommen. Dabei zeichnet sich innerhalb der Konservativen Partei vor allem ein Streit um eine Kandidatur des früheren Premierministers und Truss-Vorgängers Boris Johnson ab. Als Favoriten galten zunächst der frühere Finanzminister Rishi Sunak, Penny Mordaunt, die Ministerin für Parlamentsfragen, sowie aus dem rechtskonservativen Lager die erst am Mittwoch zurückgetretene Innenministerin Suella Braverman.

Als Erste gab nun Mordaunt ihre Kandidatur bekannt. "Ich bin ermutigt worden von der Unterstützung durch Kollegen, die einen Neustart, eine geeinte Partei und eine Führung im nationalen Interesse wollen", teilte sie auf Twitter mit. Als Parteichefin und Premierministerin wolle sie das Land einen, die Wahlversprechen der Tories umsetzen und die nächste Parlamentswahl gewinnen.

Sunak und Truss bei einer Wahlkampfveranstaltung | AP

Wird er ihr Nachfolger? Rishi Sunak und Liz Truss bei einer Wahlkampfveranstaltung Bild: AP

Für ein Rückkehr Johnsons sprach sich als erstes Kabinettsmitglied der britische Wirtschaftsminister Jacob Rees-Mogg aus. "I'm backing Boris" ("Ich unterstütze Boris"), twitterte der als exzentrisch geltende Brexit-Hardliner am Freitag. Seinen Tweet versah er zudem mit dem Hashtag #BORISorBUST (auf Deutsch etwa: Boris oder kaputtgehen).

Gegen Johnson läuft noch eine Untersuchung

Berichten zufolge soll der erst Anfang September wegen zahlreicher Skandale aus dem Amt ausgeschiedene Ex-Premier Johnson Interesse an einer erneuten Kandidatur haben. Seine Nachfolgerin Truss hatte am Donnerstag nach nur 45 Tagen im Amt ihren Rücktritt angekündigt.

Unklar war jedoch zunächst, ob Johnson genug Unterstützung in der Fraktion erhalten wird. Zudem läuft derzeit noch eine Untersuchung im Parlament, die klären soll, ob Johnson im Zusammenhang mit der Partygate-Affäre über verbotene Lockdown-Feiern im Regierungssitz 10 Downing Street gelogen hat.

Nominierungen können bis Montagnachmittag eingehen

Spätestens am 28. Oktober soll ein neuer Regierungschef gewählt sein. Um ins Rennen zu gehen, brauchen Kandidaten den Rückhalt von mindestens 100 Abgeordneten, wie die Partei bekannt gab. Bis Montag (15.00 Uhr MESZ) können Nominierungen eingehen.

Nehmen mehr als zwei Kandidaten diese Hürde, soll bei Abstimmungen in der Fraktion noch ausgesiebt werden. Gibt es danach noch zwei Finalisten, kann sich die Parteibasis zwischen diesen im Laufe der Woche in einem Online-Votum entscheiden.

Bekommt Johnson die nötigen Stimmen?

Es gilt aber auch als möglich, dass die Entscheidung schon früher fällt, falls sich einer der beiden Finalisten freiwillig zurückzieht. Das könnte für Johnson sprechen. Ex-Kulturministerin Nadine Dorries, eine Vertraute Johnsons, bezeichnete den früheren Premier als Siegertypen. Sky News zitierte ein Kabinettsmitglied mit den Worten, dass Johnson in der Lage sei, die für eine Kandidatur nötigen Stimmen zu erreichen.

Boris Johnson | AP

Goodbye ... and hello? Boris Johnson, hier bei seinem Abschied aus 10 Downing Street am 13. Juli, scheint bereit für eine Wiederkehr Bild: AP

Es gibt aber auch entschiedene Gegner einer Johnson-Rückkehr. Der 58-Jährige sei nicht der Typ, um das Image der Partei wiederherzustellen, sagte der Tory-Abgeordnete Crispin Blunt dem Sender Sky News. Der Parlamentarier Roger Gale kündigte an, er werde aus der Partei austreten, wenn Johnson wieder in die Downing Street einziehe.

Liberale fordern Streichung von Truss' Zulage

Auslöser für den Rücktritt von Truss waren Marktturbulenzen aufgrund ihres radikalen Wirtschaftsprogramms, das auch in den eigenen Reihen auf scharfe Kritik gestoßen war.

Der Chef der oppositionellen Liberaldemokraten, Ed Davey, forderte, Truss dürfe nicht die Zulage von 115.000 Pfund (rund 132.000 Euro) pro Jahr erhalten, die für ehemalige Premierminister üblich ist. "45 Tage zu arbeiten, sollte einem keine Rente einbringen, die ein Vielfaches dessen ist, was gewöhnliche Menschen da draußen nach einem Leben voller Arbeit bekommen", sagte Davey dem Radiosender LBC.

Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 21. Oktober 2022 um 14:00 Uhr.