
Angriffe in Griechenland Rechtsextremisten vor der Rückkehr
Rechtsextreme schockieren Griechenland mit brutalen Überfällen. Experten führen sie auf Kräfte der verbotenen "Goldenen Morgenröte" zurück. Doch auch in der Regierung sitzen rechte Politiker.
Ende September verteilen Schülerinnen und Schüler in der griechischen Stadt Thessaloniki Flugblätter, auf denen sie zum Kampf gegen Faschismus und zu einer Bildungsreform aufrufen. Videos in den sozialen Netzwerken zeigen, wie schwarz gekleidete Jugendliche und Männer plötzlich aus einer Berufsschule herausstürmen und die Gruppe mit Eisenstangen, Äxten, Messern und Steinen attackieren.
Gleich am darauffolgenden Tag kommt es an derselben Schule erneut zu heftigen Ausschreitungen: Dutzende Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte sind in der Schule eingeschlossen. Die Polizei kann die Unruhen erst nach rund zwei Stunden unter ihre Kontrolle bringen.
Der Auftakt einer ganzen Serie gewalttätiger Angriffe mutmaßlicher Neonazis gegen Linke, Schüler und Flüchtlingshelfer in Thessaloniki - und auch in der Hauptstadt Athen.

Eine Schule in Thessaloniki steht nach einem rechtsextremen Überfall unter Polizeischutz.
"Mit viel Wut, Tritten und Fäusten"
Auch Aphroditi Frangou ist Opfer einer dieser Attacken geworden. Sie engagiert sich als Flüchtlingshelferin für eine linke Bewegung. Sie und ihre Mitstreiter waren gerade dabei, einen Infostand in einem Vorort von Athen aufzubauen, als sie von 15 Neonazis angegriffen wurden.
"Schnell, ohne dass wir es gleich bemerkt haben, haben sie sich vor uns aufgestellt und ihre Fahne mit einem faschistischen Slogan entrollt", erinnert sie sich. "Gleich darauf waren sie hinter uns her, haben zwei von uns niedergeschlagen, mit viel Wut, mit Tritten und Fäusten, mit ihren Helmen auf die Köpfe und Rücken eingeschlagen."
Auch Frangou selbst wurde leicht verletzt, als sie versuchte, einen ihrer Mitstreiter zu schützen. Dass es sie nicht schlimmer erwischt habe - reines Glück, sagt sie: "Irgendwann, in dieser Phase des Angriffs, hörten wir "Gehen wir!" von ihrem Chef." Nachdem sie rechtsextreme Grußzeichen gezeigt hatten, seien die Angreifer rasch verschwunden.
Angriffe tragen laut Anwalt klare Handschrift
Bei Kostas Papadakis wecken die Angriffe der vergangenen Tage und Wochen äußerst ungute Erinnerungen. Papadakis ist Anwalt, während des Mammutprozesses gegen die Parteiführung der rechtsextremen "Goldenen Morgenröte" war er einer der Anwälte der Nebenklage. Er kennt ihre Strukturen und ihr Vorgehen. "Es ist offensichtlich, dass das, was gerade passiert, keine unwichtigen und zufälligen Einzelfälle sind", warnt er. "Sie erinnern viel mehr an die täglichen Aktionen der Schlägertrupps in den Jahren 2012 und 2013, zu denen wir nicht zurückkommen dürfen."
Die Attacken folgten bestimmten Mustern, die Vorgehensweise und das Auftreten der Angreifer sei identisch mit dem der Schlägertrupps der mittlerweile verbotenen "Goldenen Morgenröte".
Papadakis hält es daher nicht für ausgeschlossen, dass es eine Verbindung zur ehemaligen Führungsriege der Partei gibt. "Wir müssen eine mögliche Verbindung zu den inhaftierten Parteimitgliedern untersuchen", fordert er. "Es muss ermittelt werden, wer diese Leute sind, die es fertigbringen, eine Schule mehrere Tage zu besetzen und die Waffen und andere Gegenstände besitzen, um andere zu verletzen." Die Regierung gehe nicht entschieden genug gegen Rechtsextreme vor, toleriere sie sogar, kritisiert Papadakis. Denn das politische Klima im Land habe sich spürbar nach rechts bewegt.
Ein Rechtsextremer als Gesundheitsminister
In den vergangenen Monaten hat Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis mehrfach sein Kabinett umgebaut. In der aktuellen Regierung sitzen mindestens drei Minister, die einen nationalistischen, teils sogar rechtsextremen Hintergrund haben. Das größte Aufsehen rief Thanos Plevris' Ernennung zum Gesundheitsminister hervor: Plevris war lange Mitglied der nationalistischen Partei LAOS. Als Anwalt verteidigte er seinen Vater, einen bekannten Antisemit und Holocaust-Leugner, vor Gericht mit dem Argument der Meinungsfreiheit.
2011 hatte er als Abgeordneter im Parlament in einer Rede beschrieben, wie er gegen Flüchtlinge vorgehen würde: "Meiner Meinung nach kann man das Migrationsproblem auf zwei Arten lösen, die offen ausgesprochen werden müssen. Der erste Weg ist die Bewachung der Grenzen. Und damit wir wissen, wovon wir reden: Ohne Verluste kann es keine Grenzsicherung geben. Um es klar zu sagen: ohne Tote. Grenzen zu bewachen bedeutet Tote."
Nach seiner Ernennung gab es große Bedenken und Kritik - unter anderem von der jüdischen Gemeinde in Griechenland. Plevris entschuldigte sich daraufhin für frühere Äußerungen. Doch Zweifel an seiner Gesinnung bleiben.
Wenn solche Politiker in der Regierung sitzen, könnten sich Rechtsextreme Gruppierungen gestärkt und sich zu weiteren gewalttätigen Aktionen ermutigt fühlen, fürchtet Anwalt Papadakis. Deswegen will er am Wochenende auf die Straße gehen: Es soll eine große Demo gegen rechte Gewalt geben. Und er hofft, dass alles friedlich bleibt.