Der Frachter "Ikaria Angel" auf dem Schwarzen Meer

Kreml kündigte Abkommen Frachter aus Ukraine unterwegs

Stand: 31.10.2022 14:12 Uhr

Nach dem einseitigen Stopp des Getreideabkommens durch Russland sind erneut Frachter aus ukrainischen Häfen ausgelaufen. Russland erklärte, deren Sicherheit im Schwarzen Meer sei nicht mehr gewährleistet.

Trotz der Aussetzung des internationalen Getreideabkommens durch Russland sind zwölf Frachter mit Agrarprodukten aus ihren Häfen an der ukrainischen Schwarzmeerküste ausgelaufen. Das teilte das Infrastrukturministerium in Kiew mit. Russland sei über die Wiederaufnahme der Schiffslieferungen informiert worden.

UN bestätigen Inspektionen und Freigabe

Auf Grundlage der bisherigen Vereinbarungen werden die Frachter zunächst durch ukrainische Schiffe in internationale Gewässer gelotst. Dann fahren sie weiter in einen Korridor, auf den sich die Parteien im Juli geeinigt hatte. Ein Sprecher der Vereinten Nationen erklärte, dass die im Rahmen des Abkommens vereinbarten Inspektionen der Frachter wiederaufgenommen worden seien. Ein erstes Schiff habe bereits die Freigabe zur Weiterfahrt erhalten.

Auch die Schiffsortungsdienste vesselfinder.com und marinetraffic.com zeigten, dass sich etliche Frachter in Bewegung gesetzt haben. Zu den Schiffen zählten der nach Angaben der Vereinten Nationen mit Weizen beladene Frachter "African Robin", der mit Sojabohnen beladene Frachter "SK Friendship" und die mit Erbsen beladene "Sealock".

Zusammen mit drei weiteren Frachtern hatten sich diese Schiffe nach Angaben der Vereinten Nationen aus ukrainischen Gewässern in Richtung des vom Abkommen geschützten Korridors im Schwarzen Meer aufgemacht. Das ukrainische Infrastrukturministerium nannte auch ein Schiff namens "Ikaria Angel", die im Auftrag des UN-Welternährungsprogramms fahre. Die Ladung von 40.000 Tonnen Getreide sei für Äthiopien bestimmt.

Russland: Sicherheit nicht mehr gewährleistet

Russland hatte am Samstag das unter Vermittlung der Türkei und der UN geschlossene Abkommen auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Begründet wurde dies mit Drohnenangriffen auf Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte auf der von Russland besetzten Krim.

Russland erklärte, es könne die Sicherheit für die Schifffahrt in den betroffenen Gebieten nicht mehr garantieren. Für die Ukraine sei eine Fortsetzung der Getreideausfuhren über das Schwarze Meer deshalb riskant, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Unter diesen Bedingungen sei ein solches Abkommen kaum umsetzbar - "und es nimmt einen anderen Charakter an - sehr viel riskanter, gefährlicher und ohne Garantien."

Türkei kündigt Gespräche mit Russland an

Die EU und die USA kritisierten Russlands Vorgehen scharf. Frankreichs Agrarminister sagte, sein Land prüfe, ob es möglich sei, Nahrungsmittel aus der Ukraine alternativ über Landstrecken exportieren zu können, etwa über Polen und Rumänien. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte, sein Land werde die Bemühungen für Getreideausfuhren fortsetzen.

Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar will in Kürze mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Schoigu telefonieren. Die Getreideexporte aus der Ukraine müssten fortgesetzt werden, sagte Akar laut Angaben seines Ministeriums. Er sei auch mit dem ukrainischen Verteidigungsminister Olexij Resnikow in Kontakt. "Die Aussetzung dieser Initiative wird niemandem etwas nutzen", betreffe aber die ganze Menschheit, so Akar.

Die Ukraine warf Moskau vor, nur einen Vorwand für eine lange geplante Maßnahme gesucht zu haben. "Lebensmittel müssen fließen", erklärte auch der UN-Koordinator für das Getreideabkommen, Amir Abdulla, auf Twitter. Zivile Frachtschiffe dürften niemals zu militärischen Zielen oder in Geiselhaft genommen werden.

Bislang Export von Millionen Tonnen

Das Abkommen hatte die monatelange Blockade der ukrainischen Getreideausfuhren infolge des russischen Angriffskriegs beendet und sollte die Ausfuhr durch einen Schutzkorridor im Schwarzen Meer ermöglichen. Moskau hatte immer wieder kritisiert, dass es infolge der Sanktionen des Westens bei eigenen Getreide- und Düngemittelexporten ausgebremst werde.

Die Ukraine und Russland zählen weltweit zu den größten Getreideexporteuren. Viele Entwicklungsländer sind von Lieferungen des Grundnahrungsmittels zu niedrigen Preisen abhängig. Das Abkommen sollte den weltweiten Anstieg der Getreidepreise dämpfen. Seitdem wurden mehrere Millionen Tonnen Mais, Weizen, Sonnenblumenprodukte, Gerste, Raps und Soja aus der Ukraine exportiert.

Stephan Laack, WDR, 31.10.2022 12:59 Uhr