Die Polizei setzt Wasserwerfer vor dem georgischen Parlamentsgebäude gegen Demonstranten ein.

Anlehnung an Vorlage aus Moskau Georgier protestieren gegen "Agentengesetz"

Stand: 08.03.2023 11:28 Uhr

In Georgien haben Tausende Menschen gegen ein Gesetzesvorhaben gegen "ausländische Agenten" demonstriert, das stark an eine Vorlage aus Moskau erinnert. Georgien will eigentlich der EU und NATO beitreten.

In Georgien haben Tausende Menschen gegen ein Gesetzesvorhaben gegen "ausländische Agenten" demonstriert, das aus ihrer Sicht Medien und Nichtregierungsorganisationen einschüchtern soll.

Wie auf Bildern des unabhängigen Fernsehsenders Pireli TV zu sehen war, versammelten sich die Demonstranten vor dem Parlament in Tiflis, nachdem dieses dem umstrittenen Gesetz in erster Lesung zugestimmt hatte. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer gegen die Menge ein.

Mehr als 60 Festnahmen in Tiflis

In der Nacht kam es in der Hauptstadt Tiflis zu weiteren Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften. Daraufhin nahm die Polizei 66 Personen fest. Laut georgischen Medien wirft das Innenministerium den Festgenommenen Widerstand gegen die Staatsgewalt vor.

Laut Pireli TV waren die Proteste zuvor weitgehend friedlich verlaufen. Mindestens ein Teilnehmer habe aber einen Molotow-Cocktail auf Polizeibeamte geworfen.

In Georgiens Hauptstadt Tiflis haben Tausende gegen ein von Regierung geplantes "Agentengesetz" protestiert

tagesschau, 08.03.2023 09:00 Uhr

Gesetz an russische Variante angelehnt

Das neue Gesetz sieht vor, dass Organisationen, die sich zu mehr als 20 Prozent mit Geldern aus dem Ausland finanzieren, sich als sogenannte ausländische Agenten registrieren lassen müssen. Anderenfalls drohen ihnen Strafen.

Die Vorlage erinnert an ein Gesetz, das 2012 in Russland verabschiedet worden war. Der Kreml hat dieses umfassend genutzt, um Medien und regierungskritische Organisationen oder andere Kritiker zu unterdrücken.

Georgiens Präsidentin verurteilt das Gesetz

Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili stellte sich hinter die Demonstranten in Tiflis. "Ihr repräsentiert heute das freie Georgien, das seine Zukunft in Europa sieht und das niemanden diese Zukunft rauben lassen wird", erklärte sie während eines Staatsbesuchs in New York. 

Die Präsidentin forderte, das Gesetzesvorhaben aufzugeben, und kündigte ihr Veto gegen den Text an. Da die Regierungspartei Georgischer Traum eine absolute Mehrheit im Parlament hat, kann sie dieses Veto jedoch aufheben.

Baltenstaaten sind besorgt

Die Außenminister der baltischen Staaten zeigen sich besorgt über das Gesetzesvorhaben. Der vom Parlament in Tiflis angenommene Gesetzesentwurf "über die Transparenz ausländischen Einflusses" werfe ernsthafte Fragen über die Aussichten der Demokratie in Georgien auf, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Urmas Reinsalu (Estland), Edgars Rinkevics (Lettland) und Gabrielius Landsbergis (Litauen).

Georgien will EU und NATO beitreten

Die kleine frühere Sowjetrepublik Georgien strebt eigentlich einen Beitritt zur EU und zur NATO an. In jüngster Zeit nährten aber mehrere Maßnahmen der Regierung Befürchtungen, das Land könne sich Russland zuwenden. 

Die US-Botschaft in Georgien erklärte nach der Verabschiedung des Gesetzes über "ausländische Agenten" in erster Lesung, dies sei "ein düsterer Tag für die georgische Demokratie". Wenn die Regierung in Tiflis an dem Vorhaben festhalte, schade sie damit den Beziehungen "zu ihren strategischen Partnern".

Georgien hatte wenige Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zusammen mit dieser und Moldawien einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union gestellt. Im Juni gewährten die Staats- und Regierungschefs der EU Kiew und Chisinau den offiziellen Kandidatenstatus, erklärten jedoch, dass Tiflis zunächst eine Reihe von Reformen durchführen müsse. 

Die Pläne, der NATO und der EU beizutreten, sind in der georgischen Verfassung verankert. Sie werden Meinungsumfragen zufolge von mindestens 80 Prozent der Bevölkerung unterstützt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. März 2023 um 06:00 Uhr.