Statuen aus einer Sammlung an Kunstobjekten, die Frankreich an Benin zurückgibt.

Frankreich gibt Raubkunst zurück "Es wird ein Vorher und ein Nachher geben"

Stand: 27.10.2021 16:20 Uhr

In Paris wird heute Geschichte geschrieben: Erstmals nach Ende der Kolonialzeit gibt Frankreich bedeutende Raubkunst an Benin zurück. Konkret geht es um 26 Objekte - doch es ist nur ein erster Schritt.

Von Linda Schildbach, ARD-Studio Paris

Es ist ein kleiner Schritt für Frankreich, aber ein großer für die Rückgabe von geraubten Kulturgütern aus der Kolonialzeit. Ein "Weltereignis", sagt die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy: "Weil zum ersten Mal eine Kolonialmacht etwas zurückgibt, etwas Wichtiges zurückgibt." Man werde sehen, wie die nächsten Schritte seien. "Was klar ist, ist, dass dieses Ereignis vergleichbar ist mit dem Mauerfall in Berlin. Es wird ein Vorher und ein Nachher geben."

Insgesamt 26 Kunstobjekte gibt Frankreich offiziell an die westafrikanische Republik Benin zurück. Dabei handelt es sich um Artefakte aus den Schätzen des Königreichs Abomey. Darunter sind meterhohe Schutz-Statuen aus dem 19. Jahrhundert - halb Mensch, halb Tier -, zwei kunstvoll geschnitzte Throne sowie Holzpforten und kleine Altare. Sie wurden 1892, mitten im blutigen Kolonialkrieg, von französischen Soldaten nach Frankreich gebracht.

"Von immenser Bedeutung"

"Diese Werke sind seit über einem Jahrhundert fort aus Benin", sagt der Kurator Calixte Biah vom Historischen Museum in Ouidah. "Sie sind von immenser Bedeutung für mehrere Generationen der Menschen in Benin und Afrika. Sie sind der Beweis für die Kunstfertigkeit in der Abomey-Monarchie und dokumentieren die Geschichte dieses Königreichs."

In dem Musem in Ouidah werden die 26 Kunstobjekte zunächst zu sehen sein, bevor sie dann in ein neu gebautes Museum einziehen. Für das westafrikanische Land ist es ein historisches Ereignis - seit Jahren kämpft Benin für die Rückgabe der Werke.

Besucher betrachten Kunstobjekte, die Frankreich an Benin zurückgibt.

Auch kunstvoll gestaltete Türen befinden sich unter den Objekten, die zurückgegeben werden.

Wohl 90.000 Objekte in Frankreich

Schätzungen zufolge befinden sich etwa 90.000 Kunstobjekte aus Afrika in französischen Museen, da mag eine Rückgabe von 26 Artefakten nach nicht viel klingen. "Es sind aber nicht irgendwelche Objekte", erklärt Savoy. "Das sind sehr große, sehr spektakuläre, sehr wichtige, königliche Objekte aus einem von den Franzosen plattgemachten Königreich. Und sie waren, seitdem sie in Frankreich waren, in der Mitte der Museen.“

Nämlich ein Herzstück der großen afrikanischen Sammlung des Pariser Museums Quai Branly - Jacques Chirac. Auf die Frage, was die Rückgabe der 26 Kunstgegenstände für das Pariser Museum bedeutet, hält sich die Leiterin der Sammlung, Gaëlle Beaujean, bedeckt: "Wir haben die Dauerausstellung, wo sie gezeigt wurden, bereits umgestellt. Mehr kann ich nicht sagen."

Gesetz im vergangenen Jahr verabschiedet

Rund 70.000 Kunstobjekte aus Afrika südlich der Sahara befinden sich in der Sammlung des Museums Quai Branly. Ungefähr 45.000 davon stammen aus der französischen Kolonialzeit, schätzt Savoy. Zusammen mit dem senegalesischen Autor Felwine Sarr hatte sie 2018 einen wegweisenden Bericht über die Rückgabe kolonialer Beutekunst für die französische Regierung verfasst. Daraufhin wurde 2020 ein Gesetz verabschiedet, das den betroffenen Ländern ein Recht auf Restitution gewährt - was jedoch nicht heißt, dass alle von den Staaten reklamiert würden, sagt die Kunsthistorikerin:

Das sind ein paar Dutzend Objekte, vielleicht Hunderte maximal. Deshalb ist die Angst, dass die Museen eines Tages möglicherweise leer stehen würden, komplett ausgedacht. Die Realität ist, dass manche afrikanische Länder einige wenige, für sie symbolisch wichtige, historisch wichtige Objekte zurückerhalten wollen.

Debatte auch in Deutschland

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte 2017 angekündigt, Raubkunst in französischem Besitz auf Verlangen innerhalb von fünf Jahren zu restituieren. Das hat auch eine Debatte in Deutschland ausgelöst und Bewegung in die sonst starre Restitutionspolitik gebracht. Im Laufe des nächsten Jahres will der Bund mit Rückgaben beginnen - allen voran an Nigeria. Für Kunsthistorikerin Savoy steht fest: "Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der Restitution sein. Und heute im Jahr 21 hat das damit begonnen, das ist eine sehr gute Nachricht."

Nach der feierlichen Übergabe-Zeremonie werden die 26 Kunstobjekte noch bis Sonntag in Paris ausgestellt. Nach der Unterzeichnung des Übergabevertrags am 9. November kehren sie dann nach Benin zurück - nach fast 130 Jahren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 27. Oktober 2021 um 17:00 Uhr.