
Krieg in der Ukraine EU erwartet Millionen Flüchtlinge
Die EU stellt sich auf Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine ein. Um ihnen schnell und unbürokratisch helfen zu können, will die EU eine "Massenzustrom"-Richtlinie aus dem Jahr 2001 aktivieren.
Nach einem Sondertreffen der EU-Innenminister hat sich die zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson für eine unbürokratische Lösung bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Ukraine ausgesprochen. Es sei an der Zeit, die EU-Richtlinie aus dem Jahr 2001 zu aktivieren, sagte die Schwedin am Sonntagabend in Brüssel. Gemeint ist die sogenannte "Massenzustrom"-Richtlinie, die Kriegsflüchtlingen ohne ein aufwendiges Asylverfahren Schutz in der EU garantiert.
"Größte humanitäre Krise seit Jahren"
Konkret könnte Vertriebenen, die wegen des russischen Krieges gegen die Ukraine in die EU kommen, ohne langes Asylverfahren unverzüglich vorübergehender Schutz mit bestimmten Mindeststandards gewährt werden. In allen Mitgliedstaaten soll das gleiche Verfahren gelten und die Flüchtlinge bis zu drei Jahre Schutz in der EU erhalten.
Die EU-Kommission erwartet die größte humanitäre Krise in Europa seit vielen Jahren. "Was die humanitäre Lage insgesamt angeht, so wird derzeit mit über sieben Millionen Vertriebenen in der Ukraine gerechnet", sagt der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement, Janez Lenarcic.
Richtlinie noch nie genutzt
"Wir haben heute erstmals einen Schulterschluss aller Staaten der Europäischen Union zur gemeinsamen, schnellen und unbürokratischen Aufnahme von Kriegsflüchtlingen erreicht", sagte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser nach dem Treffen mit ihren EU-Kollegen. Europa sei angesichts der russischen Bedrohung enger zusammengerückt. "Alle EU-Staaten sind zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine bereit. Das ist eine starke Antwort Europas auf das furchtbare Leid, das Putin mit seinem verbrecherischen Angriffskrieg verursacht."
Die entsprechende Richtlinie ist eine Folge der Kriege in den 1990er-Jahren im ehemaligen Jugoslawien. Sie wurde bislang noch nie - auch nicht während der großen Fluchtbewegung 2015 und 2016 - genutzt. Insgesamt müssen mindestens 15 Länder mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung zustimmen, um die Richtlinie in Anwendung zu bringen. Zu den Mindeststandards, die alle EU-Länder garantieren müssen, gehören etwa eine Arbeitserlaubnis für die Vertriebenen sowie Zugang zu Sozialhilfe, medizinischer Versorgung, Bildung für Minderjährige und unter bestimmten Bedingungen auch die Möglichkeit zur Familienzusammenführung.
200.000 Flüchtlinge in Polen
Auch die freiwillige Umverteilung von Flüchtlingen in der EU ist möglich. Darum habe bislang jedoch noch kein EU-Land gebeten, auch keines direkt an der Grenze zur Ukraine wie Polen oder Ungarn, sagte Johansson. Allein Polen - das sich sonst immer vehement gewehrt hatte, Flüchtlinge etwa aus Syrien im Rahmen einer EU-Verabredung aufzunehmen - hat bislang etwa 200.000 Flüchtlinge registriert. Insgesamt sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks etwa 368.000 Menschen auf der Flucht. Die Zahl basiere auf den Daten nationaler Behörden - und sie steige weiter, teilte das UNHCR mit.