Flüchtlinge gehen im Hafen von Sizilien von Bord eines Schiffes.

Flüchtlingspolitik EU-Staaten einig über Umverteilung

Stand: 10.06.2022 18:56 Uhr

Seit Jahren ringen die EU-Staaten um eine gemeinsame Migrationspolitik. Nun haben sich die Innenminister auf einen Mechanismus geeinigt, um Menschen aus dem Mittelmeerraum zu verteilen. Einige Länder halten das für ein falsches Signal.

Bei der Reform der Asyl- und Migrationspolitik in der EU gibt es nach jahrelanger Blockade Fortschritte. Laut der deutschen Innenministerin Nancy Faeser haben sie und ihre Kollegen sich auf eine freiwillige Solidaritätserklärung geeinigt. Dieser Mechanismus soll Mittelmeeranrainer wie Italien und Griechenland entlasten. Die EU-Staaten haben die Wahl, die Menschen aufzunehmen oder andere Länder finanziell zu unterstützen.

Faeser schätzt, dass etwa zwölf Staaten bereit seien, Geflüchtete, die über das Mittelmeer fliehen, aufzunehmen, darunter auch Rumänien und Bulgarien. Auch Deutschland will Geflüchtete aus Mittelmeerländern aufnehmen, sagte die deutsche Innenministerin. Wie viele Migranten genau kommen könnten, will die Bundesregierung demnach in den kommenden zehn Tagen entscheiden. 

Kritik aus Österreich

Der Mechanismus soll in die bereits bestehende Solidaritäts-Plattform, die nach Beginn des Krieges in der Ukraine geschaffen wurde, integriert werden und zunächst auf ein Jahr begrenzt sein. Nach Diplomatenangaben könnten bis zu 10.000 Menschen innerhalb der EU umverteilt werden. Deutschland und Frankreich könnten dem Vernehmen nach zusammen rund die Hälfte davon übernehmen, also etwa 5000. Die EU-Kommission und die französische Ratspräsidentschaft kündigten für die kommenden Tage ein Treffen dazu an.

EU-Innenminister*Innen finden Kompromiss bei Umverteilung von Flüchtlingen

Markus Preiß, ARD Brüssel, tagesschau 17:00 Uhr

Innenministerin Faeser zufolge äußerten sich nur "zwei bis drei Staaten" negativ über den neuen Solidaritätsmechanismus. Ablehnung kam unter anderem von Österreichs Innenminister Gerhard Karner. Er sprach sich für mehr Überwachung der EU-Außengrenzen aus, sie müsse stärker und robuster werden, so Karner. Ein offenes Europa sei ein falsches Signal an die Schlepper. 

Deal soll bis Monatsende stehen

Um die Solidaritätserklärung wird schon länger gerungen. Als 2015 besonders viele Flüchtlinge nach Europa kamen, weigerten sich Polen, Ungarn und andere vor allem östliche EU-Staaten Menschen etwa aus Syrien oder dem Irak aufzunehmen. Im russischen Angriffskrieg nahm Polen dann aber rund drei Millionen Ukrainer auf. 

Die zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson lobte den Kompromiss als historisch, es müssten allerdings noch Details geklärt werden. Für den ausstehenden formellen Beschluss reicht eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsländer aus, das sind 15 von 27, die insgesamt 65 Prozent der EU-Bevölkerung auf sich vereinen. Die französische Ratspräsidentschaft strebt einen endgültigen Deal bis zum Ende seiner Amtszeit Ende des Monats an.

Grenzkontrollen im Schengenraum

Bei ihrem Treffen einigten sich die EU-Innenminister und Ministerinnen außerdem darauf, dass die Identitäts-, Sicherheits- und Gesundheitsprüfungen an den Außengrenzen vereinheitlicht werden sollen. Auch eine Reform der Eurodac-Datenbank, in der Asylbewerberinnen und Bewerber registriert werden, werde kommen, so Faeser.

Die EU-Länder verständigten sich auch auf neue Regeln für Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums. So sollen Staaten, die längerfristig Grenzkontrollen durchführen wollen, die EU-Kommission informieren und die Kontrollen begründen, wie aus einer Mitteilung hervorgeht. Sie müssen auch einen genauen Zeitraum festlegen, und die EU-Kommission kann dann Empfehlungen dazu abgeben. Am Freitag verhandeln die EU-Innenminisrer darüber mit dem Europaparlament

Mit Informationen von Birgit Raddatz, ARD-Studio Brüssel

Birgit Raddatz, Birgit Raddatz, ARD Brüssel, 10.06.2022 17:26 Uhr