
Ende des EU-Gipfels "Das war sehr heftig"
Heftige Diskussionen, hitziger Streit - am Ende hat der EU-Gipfel wenig gebracht. Keine Einigung bei Ungarns umstrittenem "Homosexuellengesetz", kein Gipfel mit Russland. Nur beim Thema Corona waren sich alle einig.
So eine Gipfelnacht hat auch die deutsche Bundeskanzlerin noch nicht erlebt - und das will etwas heißen. Schließlich ist Angela Merkel seit 16 Jahren in Brüssel dabei, so lange wie sonst niemand unter ihren europäischen Amtskolleginnen und -kollegen. Die Diskussion mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban über das sogenannte "Homosexuellengesetz" nannte Merkel "ehrlich und kontrovers". Soll heißen: Es ist ziemlich hoch hergegangen.
Auch für den Niederländer Mark Rutte war ein derart hitziger Streit neu: "Dass Präsidenten und Regierungschefs so miteinander reden, wenn es um die Lage in einem Land geht - das habe ich in meinen elf Jahren hier bisher nicht mitgemacht. Das war sehr heftig."
Fast alle standen dabei gegen einen. Nur aus Slowenien und Polen wurde Orban unterstützt. Die große Mehrheit dagegen hält die ungarische Einschränkung der Informationen über Homosexualität für einen klaren Verstoß gegen fundamentale Grundrechte wie etwa das Diskriminierungsverbot. Auch für Merkel ist die Debatte noch längst nicht vorbei. "Die EU ist nicht nur ein Binnenmarkt, sondern hat sich zusammengefunden auf der Basis gemeinsamer Werte", sagte die Kanzlerin.
Es gebe sehr tiefgreifend unterschiedliche Vorstellungen. Das zeige sich auch in den Stellungnahmen, die Ungarn für die gerade gestartete Konferenz zur Zukunft Europas abgegeben habe. Diese seien "schon sehr weit entfernt von denen, die ich leisten würde", betonte Merkel. "Insofern haben wir hier schon ein ernstes Problem."
Dialog mit Russland gescheitert
Spektakulär gescheitert ist die deutsch-französische Idee, gegenüber Russland nicht nur Härte zu demonstrieren, sondern auch mit Präsident Wladimir Putin wieder ins Gespräch zu kommen. Vor allem die osteuropäischen Länder warnten vor Zugeständnissen ohne Gegenleistung. Das werde vom Kreml als Schwäche ausgelegt, argumentierten sie. Stattdessen will die EU nun den Druck auf Moskau erhöhen, etwa mit Wirtschaftssanktionen, sofern Russland, wie es in der Abschlusserklärung heißt, weitere böswillige und rechtswidrige Aktionen planen sollte.
"Das Ergebnis ist ein geeintes Europa, das mächtig ist und seine Forderungen und Bedingungen für weitere mögliche Verhandlungen gegenüber Russland durchsetzen kann", sagte Lettlands Regierungschef Krisjanis Karins.
Bundeskanzlerin Merkel hätte sich dagegen deutlich mehr gewünscht. Die EU sollte den Dialog mit Russland nicht den USA überlassen, sondern selbst mit Moskau ins Gespräch kommen, auch als Ausdruck europäischer Souveränität.
Migrationspakt mit der Türkei verlängert
"Ich sehe solche Gespräche nicht als Form der Belohnung, sondern ich glaube, wir müssen uns darauf besinnen, dass auch im Kalten Krieg unter schwierigsten Bedingungen immer solche Gesprächskanäle da waren", so Merkel.
Verständigt haben sich die Staats- und Regierungschefs darauf, den auslaufenden Migrationspakt mit der Türkei zu verlängern. Rund drei Milliarden Euro sollen für die nächsten Jahre bereitgestellt werden, damit die vor allem aus Syrien stammenden Flüchtlinge in der Türkei sowie in Jordanien und im Libanon versorgt werden können. Beim Kampf gegen die Corona-Pandemie war sich der Gipfel darüber einig, angesichts der grassierenden Delta-Variante des Virus die Grenzen für Reisende aus Drittstaaten nur vorsichtig zu öffnen.
"Angesichts der Delta-Variante heißt es für uns, wachsam zu bleiben. Und: Impfen, impfen, impfen - das ist die beste Strategie", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Es muss schließlich, so hieß es zum Abschluss des Treffens, alles getan werden, um eine vierte Welle zu verhindern.