
Armut in der Pandemie Mallorcas Suppenküchen am Limit
Stand: 09.01.2021 10:24 Uhr
Mallorca ist inzwischen der Corona-Hotspot Spaniens. Sonne, Strand und Entspannung haben für Einheimische ihren Wert verloren. Die Zahl der "extrem in Armut" Lebenden verdoppelte sich innerhalb eines Jahres.
Ramón Rodriguez steht nicht gerne in dieser Warteschlange. Aber es muss einfach sein, erzählt er einem Team des ARD-Studios Madrid. Es ist die Schlange vor einer Suppenküche für Bedürftige in Palma de Mallorca. "Wir sind eine fünfköpfige Familie - komplett ohne Einkommen. Ich habe auch keinen Anspruch auf Hilfe vom Staat. Wir haben nichts. Hier hilft man uns mit Essen und etwas Kleidung aus."
Ramón kommt aus Kuba. Er lebt seit 27 Jahren auf Mallorca, hat als Gärtner und als Bauarbeiter gearbeitet. Doch spätestens seit der Pandemie liegt die Wirtschaft auf der Insel brach. Ramón findet einfach keine Arbeit: "Wir besetzen im Moment ein Haus, das leer steht. Keine Frage, das ist echt eine traurige Situation, in der wir leben."
Dreimal mehr Bedürftige
Die Suppenküche der Hilfsorganisation Tardor in Palma versorgt derzeit rund 700 Menschen, dreimal so viele wie vor der Corona-Krise. Mehr Bedürftige könnten sie nicht unterstützen, heißt es von den Organisatoren. Dafür fehle es an Ressourcen. Wer als Hilfesuchender neu hinzukomme, müsse sich in eine Warteliste eintragen.

Freiwillige Helfer versorgen inzwischen Hunderte Bedürftige mit Essenspaketen. Bild: AFP
Lavinia Blanes arbeitet ehrenamtlich an der Essensausgabe: "Hierher kommen nicht nur Leute, von denen man typischerweise sagen würde, er oder sie ist arm. Auch viele Menschen, denen man die Armut nicht ansieht. Leute, die ihre Arbeit verloren haben und deshalb hier sind. Der Gesellschaft muss klar werden, dass nicht nur Menschen, die auf der Straße wohnen, hilfsbedürftig sind."
Mehr als jeder Vierte gilt als arm
Nach einer Studie der Universität der Balearen gelten rund 320.000 Einwohner der Inselgruppe als arm. Das ist mehr als jeder Vierte. 34.000 leben demnach in "extremer Armut" - doppelt so viele Menschen wie noch vor der Pandemie.
Die Zahl der Arbeitslosen ist auf den Balearen zuletzt so stark angestiegen wie in keiner anderen Region Europas: um 38 Prozent innerhalb eines Monats. Gut 84.000 Menschen waren im Dezember arbeitslos gemeldet. Eine Folge der schwächelnden Wirtschaft auf Mallorca und den Nachbarinseln, die direkt oder indirekt zu etwa der Hälfte vom Tourismus abhängt. Und die Urlauber bleiben aus: Seit August gelten die Inseln aus deutscher Sicht als Risikogebiet - wegen Corona.
Alles dicht - zu hohe Infektionszahlen
Die balearische Gesundheitsministerin Patricia Gómez muss in diesen Tagen besonders schlechte Zahlen verkünden. Von Donnerstag auf Freitag haben die Behörden mehr als 700 Neuinfizierte registriert, der höchste Wert seit Beginn der Pandemie. Die Ministerin spricht von einer "extrem ernsten Lage".
Wozu sich die Regierung jetzt gezwungen fühlt, sagt Sprecherin Pilar Costa: "Die komplette Gastronomie wird geschlossen, alle Bars und Restaurants. Außerdem größere Geschäfte mit einer Fläche von mehr als 700 Quadratmetern. Auch sie müssen schließen."

Um 38 Prozent ist die Arbeitslosenzahl auf den Balearen innerhalb eines Monats gestiegen - die höchste Zahl in Europa. Immer mehr Betroffene sind deshalb auf die Essensversorgung von Tafeln und Suppenküchen angewiesen.
Eine Nachricht, die alles andere als nach wirtschaftlicher Erholung klingt - eher nach einem noch schwierigeren Winter für Mallorca und Co.
Ramón aus der Warteschlange an der Suppenküche in Palma hat sich mit der Lage abgefunden. Etwas sarkastisch meint er: In seiner Heimat Kuba sei alles noch viel schlimmer als auf Mallorca.