
Treffen in Brüssel Das sind die Baustellen beim EU-Gipfel
Ukraine, Migration und Subventionen: Beim EU-Gipfel gibt es für die Staats- und Regierungschefs viel zu besprechen. Was beim Treffen in Brüssel wichtig wird.
Die Ukraine
Aus Sicherheitsgründen war lange offengeblieben, ob Wolodymyr Selenskyj die Einladung nach Brüssel annimmt. Am Vormittag traf der ukrainische Präsident zum EU-Gipfel in Brüssel ein und sprach zu den Abgeordneten des EU-Parlaments.
Mit konkreten Zusagen und einem schnellen Beitritt sollte er aber nicht rechnen. Dafür ist die Ukraine noch zu weit von den europäischen Standards entfernt. Immerhin erkennen die EU-Staaten ausdrücklich an, dass sich die Selenskyj-Regierung nach Kräften um die nötigen Reformen bemüht.
Die Russland-Sanktionen
Klar ist: Der wirtschaftliche Druck auf Russland soll weiter steigen. Ein Preisdeckel auch für russische Ölprodukte ist schon beschlossene Sache, die nächsten Sanktionen werden vorbereitet. Spruchreif sind die Vorschläge aber noch nicht.
So gibt es etwa noch Streit, wenn es um den Boykott russischer Diamanten geht, wogegen sich Belgien wehrt, oder um einen Einfuhrstopp für Atombrennstäbe, der unter anderem an Frankreich und Finnland scheitert. Die Gazprom-Bank wird ebenfalls verschont bleiben, weil einige Länder wie Ungarn oder Österreich noch mit russischem Erdgas beliefert werden und die Zahlungen über das russische Kreditinstitut abgewickelt werden.
Deshalb wird es bei diesem Gipfel eher darum gehen, weitere Putin-Unterstützer mit Kontosperren und Einreiseverboten zu belegen und dafür zu sorgen, dass die bisherigen Strafmaßnahmen nicht einfach so umgangen werden können.
Einig ist sich die EU auch darin, dass Kriegsverbrecher und die Verantwortlichen für den russischen Überfall zur Rechenschaft gezogen müssen, etwa vor einem Sondertribunal mit Sitz in Den Haag.
Die Migration
Rund eine Million Asylanträge hat die EU im vergangenen Jahr registriert. In vielen Ländern stoßen die Aufnahmekapazitäten inzwischen an ihre Grenzen, auch weil gleichzeitig mehrere Millionen Menschen aus der Ukraine untergebracht und versorgt werden müssen.
Wie lässt sich eine faire Verteilung der Flüchtlinge organisieren? Diese zentrale Frage ist nach wie vor ungelöst. Für einen festen Aufnahmeschlüssel gibt es nämlich keine Mehrheit, genauso wenig wie für die Forderung aus Ungarn, Polen oder Griechenland, den Bau von Zäunen und Mauern an den Außengrenzen mit europäischen Geld zu finanzieren. Die deutsche Bundesregierung würde sich eher klare Absprachen wünschen, wie die legale Zuwanderung nach Europa besser geregelt werden kann.
Auch beim Thema Abschiebungen gibt es viel zu besprechen. Einige wie Österreich und die schwedische Ratspräsidentschaft wollen Drittstaaten mit einer Mischung aus wirtschaftlichem Druck und Handels- oder Visaerleichterungen dazu bringen, ihre illegal eingereisten Staatsbürger wieder zurückzunehmen. Andere wie Deutschland, Luxemburg oder Portugal halten dagegen eine solche „Zuckerbrot und Peitsche“-Taktik für den falschen Weg.
Die Industriepolitik
Wie soll die EU auf das gewaltige Subventionspaket reagieren, mit dem die US-Regierung den klimafreundlichen Umbau ihrer Wirtschaft ankurbeln will? Die Sorge in Brüssel ist jedenfalls groß, dass die Fördermilliarden aus Washington zum Großteil an amerikanische Unternehmen fließen und die europäische Konkurrenz auf der Strecke bleibt.
Manche, wie Frankreich oder Italien, wollen deshalb ein "Europa zuerst Programm", bezahlt aus einem "Souveränitätsfonds", für den die EU gemeinsam Kredite aufnehmen soll. Die Bundesregierung aber lehnt neue Schulden ab und verweist darauf, dass der Corona-Hilfsfonds noch gut gefüllt ist. Unter anderem die Niederlande sehen das genauso.
Im Grundsatz einig ist sich die EU, dass die Regeln für staatliche Beihilfen gelockert werden sollen. Allerdings gibt es auch die Befürchtung, dass dann ein Subventionswettlauf losgeht, "der wenigen hilft und vielen schadet", wie es zum Beispiel in den Niederlanden heißt. Vor allem kleinere Länder befürchten, dabei abgehängt zu werden, weil sich nur reiche Staaten wie Deutschland oder Frankreich eine großzügige Wirtschaftsförderung leisten können.
Der Gipfel soll sich deshalb zu fairen Wettbewerbsbedingungen auf dem europäischen Binnenmarkt bekennen. Das bedeutet im Klartext: Bitte keine nationalen Alleingänge.
Der Zeitplan
Normalerweise sind für solche Treffen zwei Tage vorgesehen, so wie das in Brüssel üblich ist. Allerdings denkt so mancher, dass der Donnerstag doch eigentlich reicht. Die Themenliste sieht nämlich vergleichsweise übersichtlich aus. Und weil die Positionen noch viel zu weit auseinanderliegen, werden konkrete Beschlüsse frühestens bei den nächsten Gipfeln im März oder Juni erwartet.
Wenn es heute also früh genug losgeht und keiner seine Redezeit überzieht, könnte nach dem gemeinsamen Abendessen Schluss sein. Mit einer dramatischen Nachtsitzung rechnet jedenfalls niemand.