
Tödlicher Angriff in Norwegen Geheimdienst vermutet terroristisches Motiv
In Norwegen trauern die Menschen nach dem tödlichen Angriff von Kongsberg. Viele fragen sich, wie es zu der Tat kommen konnte. Der Geheimdienst vermutet ein Terror-Motiv - will sich aber nicht festlegen.
Kerzen brennen im Zentrum von Kongsberg, viele Menschen sind auch am Abend noch in die Kirche gegangen. Reidar Aasbø arbeitet dort: "Ich denke, dass es schwer ist, all das wirklich zu begreifen. Viele stehen unter Schock. Sie fühlen sich wie im falschen Film. Wie konnte so etwas in unserer Stadt passieren?"
Fünf Tote, vier Frauen und ein Mann im Alter zwischen 50 und 70 Jahren, dazu drei Verletzte. Warum? Diese Frage war und ist in den Köpfen der Menschen und nicht abschließend beantwortet. Doch es gibt Vermutungen, so Hans Sverre Sjövold, Chef des norwegischen Inlandsgeheimdienstes.
Es besteht kein Zweifel daran, dass das Geschehene wie ein Terrorakt aussieht, aber es ist wichtig, dass die Ermittler zunächst das genaue Motiv des Täters herausfinden.
Mutmaßlicher Täter war Behörden bekannt
Der wurde kurz nach dem ersten Notruf gegen 18.15 Uhr gesichtet, dann aus den Augen verloren, schließlich gestellt und festgenommen: Ein 37 Jahre alter Däne, der seit Jahren in Kongsberg lebt. Er hatte an verschiedenen Orten der Stadt mit Pfeil und Bogen gezielt auf Menschen geschossen: Noch in der Nacht gestand er die Tat. Er sei in medizinischer Behandlung gewesen, so die Polizei. Berichten zufolge auch mehrfach vorbestraft, unter anderem, weil er Familienmitglieder bedroht habe.
Der mutmaßliche Täter ist dem Geheimdienst von früher bekannt, ohne dass ich dazu genauere Informationen geben möchte. Wir unterstützen die ermittelnde Polizei mit unseren Kenntnissen.
Der Mann ist psychiatrisch untersucht worden und soll heute dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Ermittler nehmen an, dass er ein Einzeltäter war und ziehen entsprechende Schlüsse. Arne Christian Haugstöyl ist Terrorexperte beim PST.: "Wir denken, dass die Ereignisse von Kongsberg nicht zu einer Verschärfung der Gefährdungslage geführt haben. Das Terrorrisiko ist nach unserer Einschätzung weiterhin 'moderat'."
Angriff weckt Ängste und Erinnerungen
Das heißt, man hält es für möglich, dass weitere Anschläge einzelner Täter mit einfachen Waffen zumindest versucht werden. Das weckt Ängste und Erinnerungen. Zuletzt im August vor zwei Jahren hatte ein 22-jähriger norwegischer Rechtsextremist eine Moschee bei Oslo überfallen. Er wurde überwältigt, ohne irgendwen schwerer zu verletzen, und später zur Höchststrafe von mindestens 21 Jahren Haft verurteilt.
Genau wie Anders Breivik, der 2011 mit einer Autobombe im Osloer Regierungsviertel und einem anschließenden Amoklauf im Sommerlager der sozialdemokratischen Jugendorganisation auf der nahen Insel Utøya 77 Menschen ermordet hatte.
Neuer Regierungschef ist entsetzt
Darauf bezog sich Norwegens neuer Regierungschef Jonas Gahr Støre von den Sozialdemokraten. Er hatte gestern seinen ersten Tag im Amt, überschattet vom Anschlag des Bogenschützen.
In unserer Regierung sitzen zwei Minister, die selbst den Terror von Utøya erlebt haben. Sechs weitere im Regierungsteam haben das auch. Was in Kongsberg passiert ist, bringt die Erinnerung daran zurück. Wir fühlen mit allen, die derart Schreckliches mitgemacht haben.