Frankreich übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft Die Atomstrategie des Monsieur Sarkozy

Stand: 01.07.2008 15:07 Uhr

Mit Frankreich hat einer der einflussreichsten EU-Staaten die Ratspräsidentschaft für das nächste halbe Jahr übernommen. Präsident Sarkozy hat bereits angekündigt, dass er in dieser Zeit viel bewegen will. Beim Thema Energie ist die Richtung klar: Er setzt auf Atomstrom. Doch Kritiker halten das für fatal.

Von Angela Ulrich, ARD-Hörfunkstudio Paris

Die Felskante bricht steil ab zum Meer. Unten, auf einem nur wenige hundert Meter breiten Granitsockel, stehen Kräne, wird Beton gegossen, soll das modernste Atomkraftwerk der Welt entstehen: Flamanville 3.

Oben am Felsen zeigt Bauleiter Philippe Leigné mit gelber Signalweste stolz auf die Baustelle: "Sie sehen hier ganz vorne eine Art riesigen Pfannkuchen. Das ist die Basis des künftigen Reaktorhauses", sagt der technische Direktor. Weiter hinten zeigt er auf die Maschinenhäuser. Hunderte von Bauarbeitern ziehen sie hoch. Die Hoffnung der französischen Atomwirtschaft entsteht an dieser windigen Normandieküste: Der sogenannte EPR, ein Druckwasserreaktor der dritten Generation.

Beim Pioniermodell, das der französische Atomkonzern Areva in Finnland baut, ist man bereits zwei Jahre in Verzug. Für Flamanville kein Problem, winkt Leigné ab: "Unser Zeitplan – 54 Monate – ist ambitioniert, aber nicht unrealistisch. Wir tun alles, um ihn einzuhalten. Der EPR ist mehr als eine Revolution, er ist evolutionär!"

Weniger Kohlendioxid dank Atomkraft?

Frankreich setzt voll auf Atomkraft. 80 Prozent seines Stroms produziert das Land in seinen knapp 60 Reaktoren. Deshalb ist der Pro-Kopf-Ausstoß an Kohlendioxid tatsächlich ein Drittel niedriger als in Deutschland. Flamanville soll nun sicherer, effizienter und kostengünstiger werden als die alternden Kraftwerke und zum Exportschlager für den Atomkraftverkäufer Nicolas Sarkozy werden.

In China, Nordafrika, am persischen Golf – überall wirbt der Präsident für französisches Nuklear-Know How: "Angesichts des explodierenden Benzin- und Gaspreises ist die Atomkraft eine Lösung der Zukunft. Frankreich ist Vorreiter bei der Nukleartechnik der neuen Generation. Wir wollen sogar einen zweiten EPR-Reaktor auf den Weg bringen."

"Französische Strategie ist katastrophal"

Mycle Schneider schüttelt ob solcher Ankündigungen nur den Kopf. Der Energieexperte unterrichtet angehende Ingenieure in Frankreich und berät auch die deutsche Bundesregierung.

"Die Verkaufsstrategie der französischen Regierung ist nicht nur eine Sackgasse. Sie ist katastrophal, weil sie ein doppelt falsches Signal gibt. Das eine ist, dass man praktisch Atomkraftwerke und Atomtechnologie verkaufen kann wie Schnellkochtöpfe auf dem Markt. Und zweitens, dass es die Illusion verbreitet, diese Technologie wäre so schnell und so breitflächig zu realisieren, dass sie in der Klimadebatte eine Rolle spielen könnte", erklärt Schneider. Das sei eine katastrophale Irreführung, da in diesem Bereich möglichst schnell etwas getan werden müsse. Das bedeute, in erneuerbare Energien zu investieren.

Auch erneuerbare Energien kommen bei Sarkozy vor

Die erneuerbaren Energien hat sich Sarkozy während seiner EU-Ratspräsidentschaft zwar auch auf die Fahnen geschrieben, als einen Baustein des Energie- und Klima-Paktes, den Frankreichs Präsident schnüren will: "Wir Franzosen wollen Atomkraft der neuen und alten Generation. Plus erneuerbare Energien. Dabei wollen wir mit den Deutschen zusammenarbeiten, die hier die Nase vorn haben."

Aber Windräder sind verpönt in Frankreich, Energiesparen kaum ein Thema und Atomenergie hat klar Vorfahrt. Allerdings mit Pannen: Im künftigen Vorzeigereaktor in Flamanville verhängte die französische Atomaufsicht im Mai einen zeitweiligen Baustopp. Der Grund: Sicherheitsmängel und Schlamperei.