Sarkozy nach Eklat bei EU-Gipfel Das große Schweigen nach dem Streit

Stand: 17.09.2010 17:49 Uhr

Frankreichs Roma-Politik, ein lautstarker Streit darüber auf dem EU-Gipfel und die dubiose Äußerung, Kanzlerin Merkel habe die Räumung von Roma-Lagern in Deutschland angekündigt - Präsident Sarkozy macht sich gerade keine Freunde in Europa. Doch bislang zeigt er keine Anstalten, die Wogen zu glätten.

Von Johannes Duchrow, WDR-Hörfunkstudio Paris

Es wird immer schwieriger, den Streit zwischen Paris, Berlin und Brüssel zu verstehen. Denn Bernard Kouchner, Frankreichs Außenminister, ist heute ebenfalls mit zwei Versionen des Treffens zwischen dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und EU-Kommissionschef José Manuel Barroso an die Öffentlichkeit gegangen.

Am Morgen wurde der Außenminister in einem Interview gefragt, wer denn nun das Gespräch zwischen Sarkozy und Angela Merkel richtig widergebe - der Präsident oder die deutsche Kanzlerin? "Darüber wird die Geschichtsschreibung entscheiden", sagte Kouchner. "Ich habe nichts mitbekommen, obwohl ich die ganze Zeit dabei war - und zu diesem Punkt hat der Präsident mir nie etwas Besonderes gesagt. Ich weiß auch nicht, ob dieser Zwischenfall… Reden sie doch einfach nicht von Zwischenfall, denn: Worüber wurde denn gestern geredet? Von Europa in der Welt, Krisenherde – das ist doch viel wichtiger als ein paar Worte, die vielleicht etwas zu lebhaft ausgetauscht worden sind."

Zwei Punkte sind bemerkenswert: Kouchner fällt seinem Präsidenten in den Rücken – er war bei allen Gesprächen in Brüssel dabei, doch da sei nie von deutschen Roma die Rede gewesen. Wenige Stunden später sagt Kouchner dann, er sei doch nicht immer dabei gewesen. Bei dem Mittagessen, wo es den lautstarken Streit mit EU-Kommissionspräsident Barroso gab und über den er am Morgen noch berichtet hatte – bei diesem Mittagessen habe er gefehlt.

Sarkozys innenpolitische Wende nach rechts

Präsident Nicolas Sarkozy wiederum trug heute nicht zur Aufklärung bei. Am Morgen besprach er mit einigen Ministern einen Plan zur Bekämpfung der Alzheimer-Krankheit in Frankreich. Und auch seine Pressestelle schwieg, trotz wiederholter Anfragen.

Die Tageszeitung "Le Monde" wiederholt in einem Kommentar in ihrer Nachmittagsausgabe die Vorwürfe auch vieler Menschenrechtsorganisationen in Frankreich: Sarkozy habe das Tabu gebrochen, von Staats wegen nicht einzelne Minderheitengruppen spezifisch zu benachteiligen. Der Staatspräsident habe so eine weitere Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsgruppen eingeleitet - so zum Beispiel von Muslimen, die er vorgibt zu bekämpfen. Die Zeitung bringt die innenpolitische Wende Sarkozys nach rechts auf einen Punkt: "Hier haben wir das Ergebnis der Debatte zur nationalen Identität Frankreichs!" Diese Debatte hatte Sarkozy Anfang des Jahres angezettelt.