Rückführungen in die Türkei Bei den Zurückgebliebenen wächst die Unruhe

Stand: 04.04.2016 19:08 Uhr

Überraschend reibungslos hat Griechenland mehr als 200 Flüchtlinge in die Türkei zurückgeschickt. Die überwiegend aus Pakistan und Afghanistan stammenden Migranten wurden nach Dikili gebracht. Doch die Lage in den griechischen Auffanglagern entspannt sich nicht.

Die Sonne ging gerade über dem Hafen von Lesbos auf, als die Busse mit den Flüchtlingen vorfuhren - früher als nach den Plänen, die am Wochenende bekannt geworden waren. Von Beamten der EU-Grenzschutzagentur Frontex wurden die Flüchtlinge auf zwei bereitstehende Boote geführt - insgesamt 136 Menschen, die meisten von ihnen aus Pakistan. Zwei Syrer entschlossen sich angeblich freiwillig zur Rückkehr.

Alles sei sehr ruhig und geordnet abgelaufen, sagte Frontex-Sprecherin Ewa Moncure. Zu den befürchteten Ausschreitungen kam es vorerst nicht. Aber die Bedenken bleiben, was den EU-Türkei-Deal betrifft.  Die Behörden müssten noch viel mehr tun, um die Schutzstandards für Flüchtlinge zu gewährleisten, sagt Boris Cheshirkov, Sprecher der UN-Flüchtlingshilfeorganisation auf Lesbos.

Mangelnde Perspektive schürt Angst

Die Lage im sogenannten Hotspot in Moria werde immer kritischer: "Viele Flüchtlinge im Lager haben Angst, sie wissen nicht, wie es weitergeht. Und deswegen brauchen sie Durchblick und die richtigen Informationen. Andernfalls werden die Spannungen weiter steigen."

Flüchtlingslager Moria auf Lesbos

Flüchtlingslager Moria auf Lesbos

Rund 2800 Menschen sind in Moria eingesperrt, das Lager liegt etwa zehn Kilometer von der Inselhauptstadt Mytilini entfernt. Journalisten war es heute nicht möglich, an den Zäunen des Lagers mit Flüchtlingen zu sprechen. Auch Fotos direkt am Lager versuchte die Polizei zu verhindern.

Die Helfer sind überfordert

Die Versorgungssituation im Innern sei schlecht, schildert der Freiwillige Steven Hunratty, der für eine christliche Hilfsorganisation arbeitet. Bei der Verteilung von Essen und Kleidung oder beim Sauberhalten der sanitären Anlagen werde dringend Hilfe gebraucht: "Wir sind 24 Stunden, sieben Tage die Woche da, aber wir haben nicht genügend Freiwillige. Der UNHCR beobachtet nur noch. Es würde helfen, wenn sie keine politische Sache daraus machen würden. Diese Leute brauchen einfach Hilfe."

Seit dem umstrittenen Flüchtlingsdeal haben mehrere Nichtregierungsorganisationen ihre Hilfe eingestellt, darunter Ärzte ohne Grenzen. Auch der UNHCR lehnt die Politik der geschlossenen Lager ab und überwacht die Situation nur noch.  "Stoppt die Abschiebungen", skandierten einige Demonstranten heute Morgen im Hafen von Mytilini. "Die Türkei ist nicht sicher", stand auf einem Transparent, das am Hotel gegenüber angebracht war.

Vorwürfe, die Abschiebungen seien unrechtmäßig, wies die Frontex-Sprecherin zurück. Die Grenzschutzagentur trete erst dann in Aktion, wenn in jedem Einzelfall eine Entscheidung getroffen wurde: "Das bedeutet, dass jeder Asylantrag individuell geprüft wird. Auf dieser Basis wird dann eine Entscheidung gefällt, und Migranten kommen auf eine Liste für die Rückführungen."

Keine Zwangsrückführung mit Asylantrag

Die meisten der im Lager von Moria festgehaltenen Menschen haben inzwischen einen Asylantrag gestellt. Das heißt, sie können - zumindest vorerst - nicht in die Türkei zurückgebracht werden. Auf die griechische Asylbehörde und Experten aus anderen EU-Ländern wartet jetzt viel Arbeit.

Wolfgang Landmesser, W. Landmesser, SWR Lesbos, 04.04.2016 18:13 Uhr