Streit um Zukunft der Balkanroute Feilschen um Formulierungen

Stand: 07.03.2016 14:12 Uhr

Die EU-Die Balkanroute ist geschlossen - so soll es im Entwurf der Schlusserklärung des EU-Türkei-Gipfels stehen. Nein, sagt Kanzlerin Merkel. Es könne nicht sein, dass irgendwas geschlossen wird. Doch, sagen die Kollegen aus Frankreich und Österreich. Die Route sei geschlossen.

Der EU-Gipfel soll beschließen, dass die Balkanroute für Migranten geschlossen wird. In dem Entwurf der Abschlusserklärung heißt es:

Der irreguläre Strom von Migranten auf der Westbalkanroute kommt zu Ende. Diese Route ist jetzt geschlossen.

Bereits im offiziellen Einladungsschreiben von EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte dieser ein Ende "der Politik des Durchwinkens von Migranten" erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Diesen Ansatz solle der Gipfel beschließen, verlangte Tusk. "Damit werden wir die westliche Balkanroute schließen", heißt es in der Einladung des Ratspräsidenten.

Merkel gegen Formulierung "Balkanroute ist geschlossen"

Allerdings ist diese Formulierung im Kreis der 28 EU-Staaten umstritten, weil sie so interpretiert werden könnte, als würden alle EU-Staaten die Abriegelung der griechisch-mazedonischen Grenze gutheißen, an der mehr als 10.000 Flüchtlinge gestrandet sind. Kanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wollen daher die Formulierung ändern.

Merkel in Brüssel

Merkel erwartet "schwierige Verhandlungen" in Brüssel.

Es könne nicht darum gehen, dass irgendwelche Grenzen geschlossen würden, sondern dass gemeinsam mit der Türkei eine Lösung gefunden werde, sagte Merkel. Die Zahl der ankommenden Migranten müsse sich für alle EU-Staaten verringern, einschließlich Griechenland.

Unterstützung bekam sie von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: "Ich glaube nicht, dass das ein Gipfel ist, bei dem Türen geschlossen werden", sagte der SPD-Politiker vor Beginn der Beratungen.

Doch, die Route ist geschlossen

Dagegen erkennt Frankreichs Staatspräsident François Hollande die faktische Blockade der Balkanroute an: "Sie ist geschlossen, damit wird Griechenland den wesentlichen Teil der Flüchtlinge nehmen", sagte er. "Wir müssen Griechenland helfen und verhindern, dass weiter Flüchtlinge in Griechenland ankommen, deswegen müssen wir mit der Türkei zusammenarbeiten."

Auch aus Österreich kamen klare Forderungen nach Schließung der Route. "Ich bin sehr dafür, mit klarer Sprache allen zu sagen: Wir werden alle Routen schließen, die Balkanroute auch", sagte Kanzler Werner Faymann. "Die Schlepper sollen keine Chance haben."

Ende des "Durchwinkens"

Ist dieser Streit mehr als ein Feilschen um Formulierungen? Schon beim Flüchtlingsgipfel vor zwei Wochen hatten die Staats- und Regierungschefs erklärt, die Politik des "Durchwinkens" Hunderttausender Flüchtlinge von Griechenland nach Mitteleuropa müsse ein Ende haben, auch die Bundesregierung hatte vom "Ende der Politik des Durchwinkens" gesprochen. Nach den Dublin-Regeln müssen Asylverfahren in dem EU-Staat stattfinden, in dem die Flüchtlinge ankommen.

Faktisch bedeutet das "Ende des Durchwinkens" daher die Schließung der Balkanroute. Das EU-Land Griechenland wäre die Endstation, was es ja derzeit für Tausende auch ist. Nur wenige Menschen dürfen die Grenze nach Mazedonien passieren - und damit weiter entlang der Balkanroute Richtung West- und Nordeuropa.

Griechenland forderte einmal mehr Solidarität der EU-Partner ein. "Das ist nicht das Problem eines einzelnen Landes, sondern ein europäisches Problem", sagte Alexis Tsipras in Brüssel. Leider seien seit dem vergangenen EU-Gipfel Vereinbarungen getroffen worden, die nicht für alle gelten, sagt er mit Blick auf die Abschottungsmaßnahmen Österreichs und der Länder auf dem Westbalkan.

Er forderte erneut, dass Flüchtlinge innerhalb Europas schneller verteilt werden. Bislang sind nach Angaben der EU-Kommission erst rund 870 von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien auf andere EU-Staaten verteilt worden.

Für die Zehntausenden im Land gestrandeten Flüchtlinge will die Regierung in Athen bis Anfang kommender Woche die zugesagten Unterkünfte für 30.000 Migranten und Flüchtlinge geschaffen haben. Die Kapazität werde mit 37.400 Plätzen sogar über den im Vorjahr mit der EU vereinbarten Zahlen liegen, sagte ein Regierungssprecher. Zusätzlich sollen die Vereinten Nationen 20.000 Unterkünfte bereitstellen. Damit reagiert die Tsipras-Regierung auch auf Druck der EU und Deutschlands.

Für die EU ist die Türkei das Schlüsselland

Bei dem Gipfel soll es um weitere Hilfen für Griechenland gehen, aber auch und vor allem um den schon vor Monaten vereinbarten Aktionsplan mit der Türkei. Die Erwartungen an die Regierung in Ankara sind hoch: Sie soll dafür sorgen, dass weit weniger Flüchtlinge nach Europa kommen. Dafür soll die Türkei Hilfen in Milliardenhöhe für die Versorgung der Flüchtlinge im eigenen Land bekommen. Zudem wurden Ankara Fortschritte beim Aufnahmeprozess in die Staatengemeinschaft sowie Visaerleichterungen für türkische Staatsbürger in Aussicht gestellt.

Schon vor dem offiziellen Gipfelbeginn hatte es intensive Vorgespräche zwischen Bundeskanzlerin Merkel, dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte und dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu gegeben. Die Türkei erhofft sich vom Flüchtlingsgipfel mit den EU-Staaten einen Wendepunkt in den Beziehungen zu Brüssel. Die Türkei sei bereit, mit der EU zusammen zu arbeiten, und sie sei auch bereit, Mitglied der EU zu werden, sagte Davutoglu.

Die Türkei ist das wichtigste Transitland für Flüchtlinge in der EU. Derzeit sollen knapp drei Millionen Syrer in der Türkei registriert sein. Nur ein Bruchteil lebt in Camps, die meisten Flüchtlinge schlagen sich in grenznahen Städten oder in Metropolen wie Istanbul durch.