Thailändische Forscher arbeiten an einem Corona-Impfstoff

Kampf gegen Corona-Pandemie EU will sich Zugriff auf Impfstoff sichern

Stand: 12.06.2020 20:57 Uhr

Noch ist ein Corona-Impfstoff nicht gefunden, doch bereits jetzt will die EU Vorverträge über spätere Lieferungen schließen. Insgesamt strebt die Union mehr Unabhängigkeit im Medizinbereich an.

Ein lehrreicher Stresstest für Europa: So sieht der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn die Corona-Pandemie. Der Kampf gegen das Virus und die Folgen blieben das große Thema, so Spahn nach einer Video-Konferenz mit seinen europäischen Amtskolleginnen und -kollegen. Deutschland, das ab Juli bis Ende des Jahres die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, werde sich dieser Herausforderung stellen - gemeinsam mit den anderen Mitgliedsstaaten.

"Europa muss wieder lernen, unabhängiger zu werden und seine Rolle in der Welt neu zu definieren", so der Minister. "Es geht nicht darum, die Globalisierung infrage zu stellen, es geht darum, das richtige Maß an Globalisierung zu finden."

Es müsse Schluss sein mit der medizinischen Abhängigkeit in vielen Bereichen. Zum Beispiel dürfe nicht in China entschieden werden, ob in Warschau, Amsterdam oder Berlin Schutzmasken vorrätig seien. Spahn wirbt dafür, die Produktion in vielen medizinischen Bereichen nach Europa zurückzuholen und Reserven anzulegen.

Alleingang der USA als Alarmsignal

Vor allem beim weltweiten Wettrennen um einen Corona-Impfstoff, bei dem auch US-Pharmariesen wie Pfizer, Merck oder Johnson & Johnson mitmischen, müsse Europa selbstbewusster auftreten, fordern viele EU-Politiker. So sieht das auch Peter Liese, EU-Parlamentarier der CDU und selbst Humanmediziner. Ein wichtiges Alarmsignal für ihn: Der Alleingang der USA, die sich bei der Geberkonferenz Anfang Mai als einzige der sieben wichtigsten Industrienationen nicht an dem gemeinsamen Ziel beteiligt hatten, 7,5 Milliarden Euro für Impfstoffprojekte zu sammeln.

"Wir können uns leider nicht darauf verlassen, dass Amerikaner oder Chinesen uns an dem Impfstoff teilhaben lassen, wenn sie ihn zuerst entwickeln", sagt Liese. Man sei auch schon spät dran: "Die USA haben schon vor der Pandemie entsprechende Konstellationen geschaffen, und es ist wichtig, dass wir jetzt ganz, ganz schnell nachziehen."

EU-Impfallianz

Genau dafür stellt die EU-Kommission nun die Weichen - mit einer EU-Impfallianz gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten. Die Ziele: Zum Einen den Zugang zu Impfstoffen sichern, sobald sie entwickelt und getestet sind. Zum Anderen die Produktionskapazitäten aufbauen, schließlich geht es um Millionen von Impfdosen. Dafür will die Kommission Vorverträge mit Pharmafirmen schließen und auch schon jetzt Abschlagszahlungen leisten - mit viel Geld aus einem bereits vorhandenen EU-Notfall-Topf, mit einem Gesamtbudget von stolzen 2,7 Milliarden Euro.

Mit dem Geld will die Kommission den Herstellern einen Teil des Risikos nehmen, schließlich erreichen nur 20 bis 40 Prozent der Impfstoff-Kandidaten, die klinisch getestet werden, am Ende auch die Marktreife. Doch an genau diese Kandidaten komme Europa eben nur mit gemeinsamer finanzieller Schlagkraft heran, erklärt der EU-Parlamentarier Liese: "Wir müssen aus allen Rohren schießen und Impfstoffhersteller unterstützen, durch ein zügiges, aber sorgfältiges Verfahren. Und das, was die Kommission jetzt vorschlägt, ist ein weiterer wichtiger Schritt auf diesem Weg."

100-Millionen-Kredit für Mainzer Forscher

Gesundheitsminister Spahn ist zufrieden, dass die EU-Kommission mit ihrem Konzept einer Impfallianz dem Vorschlag von Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden folgen will. Nun gelte es, diese Ideen zusammenzuführen. Nur mit einer gemeinsamen Strategie könne sich die EU dann auch weiter für eine gerechte globale Verteilung des Impfstoffes einsetzen und ihrer Verantwortung gerecht werden.

Man sei sehr engagiert, internationale Bestrebungen in der Impstoffforschung zu unterstützen - auch unter dem Dach der Weltgesundheitsorganisation WHO. "Zur selben Zeit müssen wir aber eben auch sicherstellen, dass für unsere eigenen Bürgerinnen und Bürger in allen 27 Mitgliedsstaaten ausreichend Impfstoff im Fall der Fälle zur Verfügung steht."

Der Hauptsitz des Mainzer Unternehmens Biontech

Das Mainzer Unternehmen Biontech hat eben einen 100-Millionen-Euro-Kredit erhalten.

Bevor es losgehen kann, müssten EU-Staaten und das Europaparlament der Impfallianz noch zustimmen. Danach müssten Verträge mit Interessenten ausgehandelt werden. Unabhängig davon fördert die EU aber bereits Forschung und Entwicklung von Impfstoffen - etwa beim Tübinger Biotechnologie-Unternehmen CureVac. Gerade erst hat die Europäische Investitionsbank einen 100-Millionen-Euro-Kredit für die Mainzer Firma Biontech bewilligt: Ende Juni oder Anfang Juli hoffen die Forscher dort auf erste klinische Daten zu den Impfstoff-Tests.

Alexander Göbel, Alexander Göbel, HR Brüssel, 12.06.2020 20:06 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 12. Juni 2020 um 20:00 Uhr.