
Terrorprozess in Christchurch Die Überlebenden haben das Wort
Im März 2019 tötete ein Rechtsextremist im neuseeländischen Christchurch in zwei Moscheen 51 Menschen. Bevor das Gericht das Urteil verkündet, hört es Angehörige von Opfern und Überlebende an.
Polizisten führen Sprengstoffhunde rund um das Gerichtsgebäude von Christchurch. Die Tiere schnüffeln in Gebüschen nach Gefahr. Scharfschützen liegen auf dem Dach. Lange Schlangen hatten sich am Morgen gebildet, als die Besucher im kalten Nieselregen strenge Sicherheitskontrollen passieren mussten.
66 Statements wird es geben - heute und in den kommenden Tagen. Angehörige der Getöteten und Überlebende der Terrorattacke treten ihrem Trauma gegenüber. Vor Gericht, vor dem anwesenden Attentäter, erzählen sie von ihrem Leben nach dem 15. März 2019, dem Tag, als Neuseeland sich für immer veränderte. Als für alle Welt sichtbar der Hass einbrach in das Land, das bis dahin für Frieden und Miteinander stand. Als 51 Menschen starben, gläubige Muslime, Einwanderer aus aller Welt, die hier ein Zuhause gefunden hatten.
Weg der Vergebung
Farid Ahmed ist nicht im Gericht. Er will nicht, dass der Terrorist als Berühmtheit gefeiert wird. Auf dem Friedhof - dort, wo im vergangenen März in großer Eile Dutzende Gräber ausgehoben werden mussten - betet er für seine Frau. Husna starb, als sie in der Moschee nach ihrem Mann suchte, der im Rollstuhl sitzt.
Ich kenne den Schmerz, die Traurigkeit - ich habe meine Frau verloren. Ich möchte nicht, dass jemand anderes so einen Schmerz erfahren muss. Das ist die wichtigste Veränderung in meinem Leben. Ich möchte allen sagen: Lasst uns zusammenarbeiten, um so ein grausames Töten zu verhindern."
Farid Ahmed hat den Weg der Vergebung eingeschlagen: Der Attentäter sei fehlgeleitet gewesen und habe durch seine Taten das Leben anderer, aber auch sein eigenes ruiniert. "Alles, was geschieht, lehrt uns etwas. In diesem Fall ist die wichtigste Lektion, dass Hass hier existiert. Und wir müssen zusammen alles tun, um den Hass zu verhindern, um das Töten zu stoppen."
Der australische Attentäter habe sich jahrelang auf seine Taten vorbereitet, sagte der Staatsanwalt. Er habe die Moscheen ausgekundschaftet, seine Schnellfeuerwaffen beschafft und alles getan, um die Opferzahl zu maximieren. Die angebliche Überlegenheit der weißen Rasse war sein Antrieb, wie er in einem Dokument im Internet vorher verbreitete. Viele Menschen zeigten sich zunächst erschrocken und erstaunt, dass Rassismus in der multikulturellen, friedlichen Gesellschaft Neuseelands auftrat.
Muslimfeindlichkeit - nicht hingeschaut
Doch Experten bemerkten, dass vorher einfach nicht genau hingeschaut wurde - und nicht zugehört. Das kritisiert der Rat islamischer Frauen in Neuseeland. "Menschen haben der Regierung gesagt: 'Wir sind hier nicht sicher.' Sie haben Beispiele genannt - und die Regierung hat nicht zugehört", so Aliya Danzeisen, Sprecherin des Rates. Die Organisation hat der Regierung jetzt ein Dokument geschickt, in dem sie darlegen, wie solche Taten verhindert werden können - aber vor allem auch auf tausend Seiten diskriminierende Übergriffe dokumentiert.
Entweder haben sie uns nicht geglaubt oder es einfach als nicht so bedeutsam abgetan. Als nicht wirklich gefährlich. Sie haben unsere Stimme nicht gehört, bis hoch auf Ministerebene. Nicht in der vorigen und auch nicht in der jetzigen Regierung.
"Du bist jämmerlich gescheitert"
Dennoch sagen die meisten Muslime, dass sie sich in Neuseeland immer noch willkommen fühlen. Dass dieses Land sie liebt und sie dieses Land lieben. Dass sie nicht klein beigeben. Wie eine Angehörige an den Terroristen gewandt sagte: "Du dachtest, du könntest uns zerbrechen. Aber du bist jämmerlich gescheitert."