Eine Frau in Peking scannt mit ihrem Handy einen QR-Code, um ihren Gesundheitszustand überprüfen zu lassen. | AFP

Zensierter Alltag in China Kampfansage gegen digitale Wunderwaffe

Stand: 14.08.2020 09:24 Uhr

WeChat regiert den Alltag in China. Die App ist Teil des sogenannten ChinaNet, mit dem der Staat Zensur und Kontrolle ausübt. Neben TikTok will US-Präsident Tump auch Geschäfte mit dem WeChat-Eigner Tencent verbieten.

Von Axel Dorloff, ARD-Studio Peking

WeChat ist Chinas digitale Wunderwaffe. Wie solle sie wissen, was ihre Kinder machen, wenn sie WeChat nicht selbst beherrsche, sagt eine Frau in einer Fernsehwerbung für die Online-Plattform.

Axel Dorloff ARD-Studio Peking

Für Kinder und Jugendliche wie den 18-jährigen Wang Simia ist WeChat der wichtigste Begleiter durch den chinesischen Alltag. "Morgens checke ich als erstes meine WeChat-Nachrichten und lese dann ein paar öffentliche Accounts", sagt er. "Dann schaue ich, was meine Freunde gepostet haben. Ich verbringe viel Zeit mit WeChat, fast die Hälfte meiner Zeit."

800 Millionen nutzen WeChat

In China nutzen mehr als 800 Millionen Menschen die App WeChat des mächtigen Internet-Konzerns Tencent. Das sind mehr als 90 Prozent aller chinesischen Smartphone-Nutzer.

WeChat arbeitet mit Miniprogrammen, Apps in der App. Ob chatten, einkaufen, bezahlen oder die Corona-App vorzeigen: WeChat regiert den Alltag in China.

Dabei sei WeChat nur eins von vielen Beispielen für die digitale Parallelwelt, die China erschaffen habe, sagt der Pekinger Internetexperte Guo Tao:

Wir haben für alles unsere eigenen Produkte, die den gleichen Service liefern. Internet-Nutzer in China haben eine riesige Zahl an Apps, aus denen sie wählen können. Die am meisten genutzten App ist die aus dem Hause Tencent: WeChat, früher QQ, mit 90 Prozent Marktanteil. Weibo hat auch immer noch einen hohen Marktanteil. Und in den vergangenen Jahren sind Kurzvideo- und Unterhaltungs-Apps dazugekommen wie Douyin und Kaishou, die sehr populär sind.

Apps und Programme aus den USA sind auf dem chinesischen Markt kaum existent. Instagram, Twitter, Youtube, Facebook, Google - das alles und noch viel mehr ist schon seit Jahren geblockt. Zum einen, um ungewollte Einflüsse aus dem Ausland zu verhindern. Zum anderen aus Gründen der Wirtschaftsprotektion.

Trump greift das ChinaNet an

So konnte das so genannte ChinaNet entstehen, sagt Experte Guo. "China hat seine eigene Internet-Politik. US-amerikanische Produkte zu blockieren, ist nur ein Aspekt davon", erklärt er. Es gehe auch darum, dass ausländische Produkte nicht das geliefert hätten, was die Chinesen wollten. Die Gewohnheiten und Ansprüche der Nutzer seien sehr unterschiedlich.

Chinas Internetfirmen hätten nie so groß, mächtig und innovativ werden können, wenn US-amerikanische Produkte auch den chinesischen Markt beherrscht hätten. Nun kündigt US-Präsident Donald Trump an, zurückschlagen. Er hat es dabei auf WeChat und die Kurzvideo-Plattform TikTok abgesehen. Er droht mit einem Verbot von Geschäften mit Tencent und Bytedance, den beiden chinesischen Unternehmen hinter diesen Apps.

China fühlt sich gemobbt und diskriminiert

Chinas politische Führung zeigt sich darüber empört, der Sprecher des Außenministeriums, Zhao Lijian.

Diese unverhohlene Mobbingpraxis und politische Manipulation beobachten wir seit längerem aus den USA. Wir verurteilen das aufs Schärfste. Wir appellieren an die USA, ihre hysterischen Reaktionen zu überdenken, sich an Marktmechanismen und WTO-Gesetze zu halten und die ungerechtfertigte Unterdrückung und die diskriminierenden Restriktionen gegenüber unseren Unternehmen zu stoppen.

Was das ChinaNet für Unternehmen aus den USA bedeutet, nämlich dass sie gar nicht erst auf den Markt kommen, darüber reden Chinas Politiker ungern.

Zhao Lijian, Sprecher des chinesischen Außenministeriums | picture alliance/dpa

"Wir appellieren an die USA, ihre hysterischen Reaktionen zu überdenken", sagt Zhao Lijian, Sprecher des chinesischen Außenministeriums. Bild: picture alliance/dpa

VPN-Tunnel laut Experte kaum genutzt

Die Große Mauer der Zensur, die so genannte Great Firewall in China, lässt sich umgehen. VPN-Tunneldienste dienen dazu, ins freie Internet zu kommen. Das sind Zusatzprogramme für Smartphone oder Laptop, um blockierte Apps und zensierte Internetseiten zu nutzen.

Die meisten Chinesen bräuchten das aber nicht, sagt Internet-Experte Guo. "Heute ist die Mehrheit der Nutzer in China zufrieden mit den Produkten, die es im ChinaNet gibt." Nur eine sehr kleine Zahl von Leuten nutze hin und wieder VPN, um spezielle Statistiken zu finden oder um andere Nachrichten zu lesen. China habe ein reichhaltiges Angebot - die Nutzer seien zufrieden, sie hätten damit gute Erfahrungen gemacht.

Hauptverwaltung von Tencent in Peking | AP

Keine US-Geschäfte mehr mit dem Technologie-Unternehmen Tencent verlangt US-Präsident Trump. Bild: AP

Komplette Kontrolle über das ChinaNet

China langfristige Strategie für das Internet funktioniert bislang: Blockieren, Klonen und Innovation. Die Kommunistische Partei hat im eigenen Land die komplette Kontrolle über das ChinaNet.

Die globale Strategie beinhaltet, chinesische Apps auch erfolgreich im Ausland zu platzieren. WeChat stottert im Ausland, TikTok war der erste große internationale Erfolg. Das Projekt ist nun in Gefahr.

Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 14. August 2020 um 05:50 Uhr in der Sendung "Informationen am Morgen".