40. Jahrestag des Militärputsches Chile und das Erbe der Diktatur

Stand: 11.09.2013 09:09 Uhr

Die Wunden von vor 40 Jahren sind bis heute nicht verheilt: Am 11. September 1973 putschte das chilenische Militär gegen Präsident Allende. Es begann die Diktatur Pinochets, in der Tausende Regimegegner ermordet wurde.

Von Julio Segador, Buenos Aires

Es ist der 11. September 1973. Chiles Präsident Salvador Allende sitzt in seinem Präsidentenpalast "La Moneda" in Santiago - und verschanzt sich. Das Militär hat gegen Allendes Regierung geputscht. Während sein Palast von Flugzeugen bombardiert wird, wendet sich der Präsident in einer Radioansprache an sein Volk. Niemals werde er abtreten, den Putschisten das Feld überlassen, sagt er.

Stunden später ist Allende tot. Der Sozialist begeht im Präsidentenpalast Selbstmord, kommt damit wohl seiner Erschießung durch die Schergen der Militärjunta zuvor. 17 Jahre steht General Augusto Pinochet danach an der Spitze einer blutigen chilenischen Diktatur. Fast während der gesamten Zeit gilt der Ausnahmezustand.

Die Junta tötete mehr als 3000 Menschen

Pinochet regiert Chile mit harter Hand: Regimegegner werden entführt, gefoltert. Viele sind bis heute verschwunden. Die Militärjunta ermordet mehr als 3000 Menschen.

40 Jahre sind seit dem Militärputsch inzwischen vergangen: Die Geister der Diktatur sind längst noch nicht verschwunden. Die alten Eliten sind in vielen Fällen noch immer in wichtigen Positionen, etwa im Senat. Kritiker beklagen ein ökonomisches und gesellschaftliches Modell aus der Diktaturzeit, das auf die Ausgrenzung breiter Bevölkerungsgruppen setze.

Seit zwei Jahren demonstrieren chilenische Studenten gegen das Bildungssystem im Land. Junge Leute wie Alejandro Leal protestieren gegen ein System, das von Diktator Pinochet eingeführt wurde und das seither Bestand hat. "40 Jahre nach dem Putsch wollen wir nun das System stürzen", sagt Leal. "Pinochet hat dieses Bildungssystem eingeführt, wir werden es abschaffen."

Das Duell der Töchter

Von einer nationalen Versöhnung ist Chile weit entfernt. Zum Jahrestag des Umsturzes, knapp zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl, zeigt sich dies deutlich. Auch an den beiden Kandidatinnen Michelle Bachelet und Evelyn Matthei. Ihre Väter waren befreundete Luftwaffengeneräle. Bachelets Vater widersetzte sich dem Putsch, wurde gefoltert und verschleppt. Der Vater von Evelyn Matthei hingegen war Mitglied der Militärjunta, unterstützte Pinochet.

40 Jahre danach konkurrieren beide Töchter um das Präsidentenamt. Evelyn Matthei lehnt es ab, sich für ihren Vater zu entschuldigen. Michelle Bachelet thematisiert den Putsch im Wahlkampf: "Der Mangel an Erinnerung und die Verweigerung zurückzublicken lassen keine Wunden verheilen. Ein Land, das seine Vergangenheit verleugnet und alles unter den Teppich kehrt, riskiert, immer wieder über die eigenen Fehler zu stolpern."

Nach vorne blicken - oder zurück?

Staatspräsident Sebastian Piñera appellierte im Vorfeld des Jahrestags an den Versöhnungswillen der Menschen im Land und rief auf, gemeinsam nach vorne zu blicken. "Die Vergangenheit ist bereits geschrieben. Wir können an sie erinnern, über sie diskutieren, aber wir können sie nicht ändern. Wir dürfen nicht Gefangene dieser Vergangenheit bleiben. Denn wenn die Gegenwart in der Vergangenheit verankert bleibt, ist die Zukunft die Verliererin."

40 Jahre nach dem Militärputsch ist Chile immer noch zutiefst gespalten. Die einen wollen die Vergangenheit hinter sich lassen, keine alten Wunden aufreißen. Andere wiederum suchen Wahrheit und Gerechtigkeit, damit die alten Wunden vernarben können.

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 11. September 2013 um 10:11 Uhr auf InfoRadio.