Britisches Parlament will den Bexit

Anstehende Brexit-Gespräche Bürgerrechte als Verhandlungssache?

Stand: 28.03.2017 11:47 Uhr

Bei Millionen Menschen wächst die Unsicherheit: Dürfen EU-Bürger künftig in Großbritannien bleiben und arbeiten wie bisher? Und umgekehrt fragen sich auch Briten in der EU, welche Rechte sie künftig noch haben.

Von einem politischen "Erdbeben", das die EU erschütterte, war oft die Rede, nachdem sich die Briten per Abstimmung für den Austritt entschieden hatten. Dem würde Dennis Abbott kaum widersprechen. Doch auch ganz persönlich gerät für den Briten einiges ins Wanken. Denn Abbott lebt seit mehr als 15 Jahren auf dem europäischen Festland - und er lebt gern hier. Die Stadt Brüssel ist für ihn eine Art zweite Heimat geworden.

Doch nun ist fraglich, ob das so bleiben kann. "Das macht mir wirklich Sorgen. Ich bin mit einer Französin verheiratet, meine Eltern, die Briten sind, leben in Frankreich. In meiner Familie  weiß niemand genau, was passieren wird", sagt Abbott. "Null Klarheit" gebe es derzeit über die Frage, welche Rechte in der EU lebende Briten künftig genießen werden, beklagt er.

Rechte als "Poker-Chip"?

Umgekehrt gilt das genauso: Ob und unter welchen Bedingungen EU-Bürger im bald etwas weniger europäischen Königreich bleiben und arbeiten dürfen, ist völlig offen. "Ich finde es unglaublich traurig, dass die britische Regierung nicht sofort auf Wechselseitigkeit gesetzt und zugesagt hat: 'Wir garantieren die Rechte von EU-Bürgern bei uns, und im Gegenzug garantiert die EU selbiges für die Briten", sagt Abbott weiter. Der Gedanke, dass die Rechte Verhandlungssache seien oder "als Poker-Chip eingesetzt" werden könnten, mache ihn "richtig sauer".

Auch wenn es derzeit kaum vorstellbar scheint, dass man sich in diesem Punkt überhaupt nicht einigt - verkompliziert wird die Sache zweifelsohne dadurch, dass eines der Hauptversprechen der Brexit-Wahlkämpfer lautete, man würde "Kontrolle über die eigenen Grenzen" zurückgewinnen und die EU-Einwanderung eindämmen.

Rund 4,5 Millionen Menschen im Ungewissen

Auf Seiten der EU ist man sich durchaus darüber bewusst, dass die anstehenden Verhandlungen für Millionen von Menschen zunächst einmal Ungewissheit bedeuten. "Wir hören die Zweifel, verstehen die Sorgen und müssen darauf eine wirkungsvolle Antwort finden", sagt Michel Barnier, Chef der Brexit-Task Force der EU-Kommission. Die Rechte "als Bürger Europas langfristig zu garantieren", werde von Beginn an "eine Top-Priorität" in den Verhandlungen haben, verspricht der Brexit-Haupt-Verhandler.

Insgesamt sind laut Barnier 4,5 Millionen Menschen von der Bürgerrechtsfrage direkt betroffen: Egal, ob es sich um die polnische Studentin an der britischen Universität oder den britischen Pensionär, der sich in Spanien zur Ruhe gesetzt hat, handele. Jedenfalls dürften sich beide Seiten dieser Frage gleich zu Beginn der anstehenden Scheidungsgespräche zuwenden.

Wird es eine schmutzige Scheidung?

"Bei dieser Scheidung sollte es nicht nur um Handelsfragen gehen, sondern um die Rechte der Menschen. Um Menschenrechte", drückt es Abbott aus. Er hatte sich einst um die belgische Staatsangehörigkeit bemüht, damit war der heutige PR-Berater, der einst für die EU-Kommission tätig war, jedoch gescheitert. Nun hofft er inständig, dass die Brexit-Gespräche ihn und Millionen andere nicht allzu lange in der Luft hängen lassen. Denn eins sei auch klar, warnt Abbott: Scheidungsgespräche könnten schnell schmutzig werden. Jeder, der persönlich schon einmal eine anwaltliche Trennung durchgemacht habe, wisse das.  

Kai Küstner, K. Küstner, ARD Brüssel, 28.03.2017 11:05 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten am 28. März 2017 WDR5 um 06:48 Uhr und Inforadio um 07:08 Uhr