
Brasilien Frei, aber nicht begnadigt
Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva ist aus der Haft entlassen worden. Doch das ist nicht das Ende des Verfahrens.
Er werde aus dieser Sache größer, stärker, ehrlicher und unschuldig herauskommen, denn er wolle beweisen, dass die anderen ein politisches Verbrechen begangen haben. Mit diesen Worten hatte sich Lula da Silva vor 19 Monaten von seinen Anhängern verabschiedet. Die hielten auch während der Haft im südbrasilianischen Curitiba zu ihm - jeden Tag stand eine Mahnwache vor dem Polizeigebäude. Am Freitagabend war es dann so weit. Nach 580 Tagen konnte der Ex-Präsident die Zelle verlassen - und seine ersten Worte galten den Menschen die ihn Tag für Tag vor dem Polizeigebäude unterstützt hatten.
Egal, ob es 40 Grad oder null Grad hatte. An jedem heiligen Tag wart Ihr der Kraftstoff für unsere Demokratie, den ich brauchte.
In einem Punkt hat Lula sein Ziel noch nicht erreicht: Er ist frei, aber er gilt nicht als unschuldig. Er profitiert von einer Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofes, zusammen mit Tausenden anderen Angeklagten. Denn die Obersten Richter haben entschieden, dass Straftäter eine Haftstrafe erst antreten müssen, wenn die letzte Instanz ihr Urteil gefällt hat.
Endgültige Entscheidung in mehreren Monaten
Bis jetzt galt in Brasilien die Regeln, dass Haftstrafen schon vollstreckt werden, wenn die Berufung noch läuft. Deswegen musste die Justiz den Politiker auf freien Fuß setzen. Ob sein Urteil - acht Jahre Haft wegen Bestechlichkeit - bestätigt oder verworfen wird, darüber entscheiden die Obersten Richter erst in ein paar Monaten. Lula bleibt bei seiner Sicht, dass die Justiz ein Komplott geschmiedet habe, um ihn hinter Gitter zu bringen.
Eine Sauerei, was dieser verkommene Teil des brasilianischen Staats mit mir gemacht hat, und mit der brasilianischen Gesellschaft. Der verfaulte Teil der Justiz, der Staatsanwaltschaft, der Bundespolizei und der Finanzbehörden, sie haben alles daran gesetzt, um die Linke zu kriminalisieren, die Arbeiterpartei und Lula.

Lulas Anhänger feiern die Freilassung
Verurteilung wegen Bestechlichkeit
Der Ex-Präsident wurde wegen Bestechlichkeit zu zwölf Jahren Haft verurteilt, die Strafe wurde später auf acht Jahre verkürzt. Es ging um eine Luxuswohnung am Strand - angeblich eine Gegenleistung für lukrative Bauaufträge des Staates. Lula bestreitet alle Vorwürfe nach wie vor. Selbst wenn das Oberste Gericht dieses Urteil bestätigt, muss Lula wahrscheinlich nicht zurück ins Gefängnis - er kann damit rechnen, den Rest der Strafe im Hausarrest abzusitzen.

Lula spricht nach der Freilassung zu seinen Anhängern
Doch genau das will Lula nicht - denn dann könnte er weiter nicht für öffentliche Ämter kandidieren. Der 74-Jährige will sich wieder in die Politik stürzen gegen Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro. Direkt vor der Haftanstalt sagte Lula ihm den Kampf an. Er wolle beweisen, dass dieses Land besser sein könne, wenn es eine richtige Regierung habe. "Und nicht jemanden, der über Twitter so viel lügt wie Bolsonaro. Er hat nicht mal den Mut, direkt mit seinem Volk über die Probleme und Lösungen für sein Volk zu reden."
Linke hat ihre Führungsfigur wieder
Schon vor einem Jahr wollte Lula noch einmal bei der Präsidentschaftswahl antreten - Umfragen sahen ihn als klaren Sieger. Doch wegen des Urteils gegen ihn durfte er nicht antreten. Brasiliens Politik ist mit diesem Tag auf jeden Fall wieder spannender geworden. Die führungslos taumelnde Linke hat ihre Identifikationsfigur wieder. Und Präsident Bolsonaro sein Lieblings-Feindbild. Auch wenn er sich zunächst in Schweigen hüllte.