
Regierungsprogramm in Brasilien Weniger Schutz für indigene Völker
Stand: 02.01.2019 21:50 Uhr
Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat der neue brasilianische Präsident Bolsonaro den Schutz indigener Völker verringert. Für ihre Gebiete machte er eine Agrarlobbyistin zuständig - mit Folgen für den Klimaschutz.
Wenige Stunden nach seinem Amtseid hat der neue brasilianische Präsident Jair Bolsonaro den Sonderstatus der indigenen Völker in Brasilien beschnitten. Per Anordnung übertrug der Rechtsextremist die Zuständigkeit für die Festlegung und Abgrenzung des Landes von Ureinwohnern vom Justiz- auf das Landwirtschaftsministerium. Das macht es indigenen Völkern beinahe unmöglich, dass ihre Gebiete geschützt bleiben.
Die neue Landwirtschaftsministerin, Tereza Cristina, gehört zur Agrarindustrie-Gruppe im Abgeordnetenhaus und steht Forderungen indigener Völker ablehnend gegenüber.
Vorteile für Agrarlobby
Der verringerte Schutz für die Ureinwohner ist vorteilhaft für Bolsonaros Verbündete in der Agrarindustrie. Diese kritisierten, dass indigenen Völkern große Gebiete zugesprochen wurden. "Weniger als eine Million Menschen leben an diesen Orten isoliert vom wirklichen Brasilien", twitterte Bolsonaro. "Sie werden von gemeinnützigen Organisationen erforscht und manipuliert. Zusammen werden wir diese Bürger integrieren und alle Brasilianer wertschätzen."
Schon in seinem Wahlkampf hatte der ehemalige Armeehauptmann gesagt, dass er die Erfassung und Eingrenzung indigenen Landes annullieren werde, die von früheren Regierungen beschlossen wurde. Die von Bolsonaro unterschriebene Anordnung betrifft auch Ländereien der Nachkommen früherer afrobrasilianischer Sklaven, der Qilombolas. Eine führende Aktivistin der Ureinwohner, Sonia Guajajara, sagte, der Erlass ziele auf die Abschaffung von Schutzvorschriften für die brasilianischen indigenen Völker ab.
Klimaschutz in Gefahr
Der Richtungswechsel dürfte auch den internationalen Klimaschutz in Gefahr bringen, da sich die indigenen Gemeinschaften Brasiliens traditionell als "Hüter des Waldes" verstehen und Widerstand gegen die großflächige Abholzung leisten. Zudem liebäugelt Bolsonaro mit einem Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen. Dabei kommt Brasilien im Kampf gegen den Klimawandel eine wichtige Rolle zu, da das Amazonasgebiet als CO2-Speicher von globaler Bedeutung ist.
Auch LGBT schutzlos
Mit einer weiteren Anordnung entzog er dem neuen Menschenrechtsministerium die Zuständigkeit für die Angelegenheiten von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen (LGBT). Er nannte keine Behörde, die künftig für deren Angelegenheiten zuständig ist.
Der Presseverband von Brasilien kritisierte die Behandlung von Journalisten bei Bolsonaros Amtseinführung. Sie mussten sieben Stunden vor Beginn der Zeremonie eintreffen und unterlagen Einschränkungen.
Angesichts von Bolsonaros Ausfällen gegen Schwarze, Indigene und Homosexuelle und seine Faszination für die Militärdiktatur sehen manche in dem früheren Fallschirmjäger eine Gefahr für die noch junge Demokratie Brasiliens. "Der neue Präsident ist mit einem Diskurs an die Macht gekommen, der sich offen gegen die Menschenrechte und gegen die historisch ungeschützten Gruppen der Bevölkerung richtet", schrieb die Amerika-Chefin von Amnesty International, Erika Guevara-Rosas, auf Twitter.
Radikale Kehrtwende: Bolsonaros erster Tag
Anne Herrberg, ARD Buenos Aires zzt. Rio de Janeiro
02.01.2019 22:33 Uhr
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