Der türkische Präsident Erdogan.

Bodenschätze im Mittelmeer Kann die EU Erdogan stoppen?

Stand: 12.08.2020 02:24 Uhr

Die Türkei will vor Zypern und Griechenland nach Gas bohren - das versetzt EU-Diplomaten in Aufruhr. Nun soll Druck auf den türkischen Präsidenten Erdogan ausgeübt werden, um eine militärische Auseinandersetzung zu verhindern.

Der Kollisionskurs der Türkei im östlichen Mittelmeer hat die Brüsseler Diplomaten aus der Sommerpause gerissen. Die EU sieht gleich zwei Mitgliedsländer direkt bedroht, Griechenland und die Republik Zypern, weil die Türkei in deren Seegebiet nach Gas und ÖL bohren will.

Seit Anfang der Woche ist ein türkisches Forschungsschiff zur Erkundung von Probebohrungen vor der griechischen Insel Kastellorizo unterwegs, es wird begleitet von Schiffen der türkischen Marine. Kastellorizo liegt wenige Kilometer vor dem türkischen Festland. Die EU-Kommission ist alarmiert. Ihr Sprecher Peter Stano warnte gestern vor jeder weiteren Eskalation.

EU will klare Botschaft senden

Die jüngste Entwicklung sei äußerst besorgniserregend, erklärte der Kommissionssprecher. Eine weitere Eskalation sei keine Antwort auf die Probleme in der Region, sie führe nur zu größeren Konflikten und Misstrauen. Nötig sei jetzt eine Lösung im Einklang mit dem internationalen Recht.

Die EU will keinen Zweifel daran aufkommen lassen, auf welcher Seite sie in dem Konflikt steht. Es sei ihm sehr wichtig, betonte der Kommissionssprecher, dass die EU in voller Solidarität hinter Griechenland und Zypern steht, geschlossen und ohne Ausnahme.

Griechenland fordert Dringlichkeitssitzung

Die griechische Regierung fordert jetzt eine Dringlichkeitssitzung der EU-Außenminister, Athen sieht die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung. EU-Chefdiplomat Josep Borrell versucht, die Wogen zu glätten. In unzähligen Telefonaten mit beiden Seiten suche er nach einer Verhandlungslösung, heißt es in Brüssel.

Ob der türkische Präsident sich davon beeindrucken lässt, halten Beobachter eher für unsicher. Erdogan stehe innenpolitisch enorm unter Druck, gibt der türkische Journalist Bülent Mumay zu bedenken, wegen der schlechten Wirtschaftslage verliere der Präsident täglich an Rückhalt im Land:

Erdogan innenpolitisch unter Druck

Erdogan müsse jetzt einen internationalen Erfolg erzielen, um das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen, meint der Journalist aus Istanbul. Erdogan wolle in der Ägäis eine Lösung, die es ihm ermöglicht, am Ende als Held des Landes dazustehen.

Seit im östlichen Mittelmeer große Gasvorkommen entdeckt wurden, gibt es Streit um die Ausbeutung. Zankapfel sind die vielen griechischen Inseln, die direkt vor der türkischen Küste liegen. Für die Inseln beansprucht Griechenland eine eigene Wirtschaftszone von 200 Seemeilen. Nach Einschätzung von Völkerrechtlern ist das im Grundsatz zwar vom Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen gedeckt.

Aber wenn sich die Wirtschaftszone mit der eines anderen Staates überschneidet,  dann sieht das Seerecht zwingend Verhandlungen vor. Mit diesem Hebel will EU-Chefdiplomat Borrell die Türkei an den Verhandlungstisch bringen. Im Gespräch sind europäische Wirtschaftssanktionen als Druckmittel gegen Erdogan - und dazu gehören auch Strafmaßnahmen gegen Unternehmen, die sich an den Bohrungen beteiligen.

Helga Schmidt, Helga Schmidt, WDR Brüssel, 12.08.2020 01:08 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. August 2020 um 05:27 Uhr.